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Einst Kneipe "Zum Henker", jetzt Pizzeria und Treff für eine Plakataktion gegen Rechts: Studenten der Hochschule für Technik und Wirtschaft zeigen ihr neues Plakat gegen Rechtsextreme in Schöneweide vor dem Lokal von Hanan al-Kassem.

© Thomas Loy

Engagement gegen Rechtsradikale: Nudeln statt Nazis

Erfolg für Schöneweide gegen Rechtsextreme: In den Räumen einer einstigen Szene-Kneipe ist jetzt eine Pizzeria.

Zur Heldin eignet sie sich nicht. Aber geschmeichelt ist sie schon, dass so viele wichtige Leute in ihre Pizzeria gekommen sind. Hanan al-Kassem, gebürtige Neuköllnerin, 20 Jahre alt, bietet den Neonazis von Schöneweide die Stirn. Das sagt hier niemand laut, aber so ist es.

Vor anderthalb Jahren suchte sie zusammen mit ihrem Vater ein Restaurant. In der Brückenstraße 14, nahe der Spree, wurden sie fündig. Die Miete war günstig. Warum, erfuhren sie erst später. In den Räumen war bis 2014 der berüchtigte Neonazi-Treffpunkt „Zum Henker“ untergebracht. Drinnen wurden Cocktails gemischt, die Namen wie „Pink Panther“ trugen, benannt nach dem Bekennervideo des NSU-Mördertrios, oder weniger verbrämt: KZ. Die Fenster waren mit Blechen verrammelt, als Schutz vor Antifa-Steinen und den Blicken der Polizei, die regelmäßig in der „Braunen Straße“ Streife fuhr.

Bündnis gegen Rechts vertrieb die Nazikneipen

Der Bezirk schmiedete ein Bündnis gegen Rechts, den Beirat für Schöneweide, holte die Vermieter ins Boot und erreichte, dass dem Henker gekündigt wurde. Genau wie dem „Hexogen“ ein paar Häuser weiter, einem der NPD nahestehenden Laden für Wehrmachts-Devotionalien. Zwei Jahre später zieht der Beirat eine erste Bilanz seiner Arbeit – im einstigen Hort der Neonazis. So wie Sieger es gerne tun. „Ein Symbolort des Rechtsextremismus ist untergegangen“, triumphiert Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD). Bislang hätten die Nazis es nicht vermocht, einen ähnlichen Ort in Berlin zu etablieren.

"Es gibt noch keinen Grund zur Entwarnung", sagen Szenekenner

Und Hanan al-Kassem? Steht hinter dem Tresen und lächelt. Aufs Gruppenfoto vor ihrem Lokal „Anima E Cuore“ möchte sie nicht. Hat sie Angst vor den Nazis? Nein, es gebe keine Drohungen oder Anfeindungen. „Alles ganz ruhig.“ Stammgäste aus der Straße hat sie allerdings bislang nicht gewinnen können. „Es kommen viele Gäste vom NH-Hotel nebenan.“

Hanan al-Kassem serviert ihre Pizzen in der Brückenstraße 14.
Hanan al-Kassem serviert ihre Pizzen in der Brückenstraße 14.

© Thomas Loy

Auch wenn Henker und Hexogen verschwunden sind und sich das gesellschaftliche Klima in Schöneweide deutlich entspannt habe, leben noch immer viele Rechte in der Gegend, bestätigt Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus. Schöneweide sei weiterhin ein „Schwerpunkt für Nazi-Propaganda“, sagt ihr Mitarbeiter. Auch die drei Abgeordnetenbüros in der Brückenstraße – von Linken, SPD und Piraten bewusst hier angesiedelt – seien „häufig Ziel von Angriffen“. Das vorläufige Resümee: Es ist besser geworden, aber es gebe noch „keinen Grund zur Entwarnung“, sagt Klose.

"Rassismus ist Schweineöde - Vielfalt ist Schöneweide"

Einen großen Anteil am verbesserten Klima hat die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), die seit zehn Jahren den Stadtteil mit Studenten und Dozenten flutet. Inzwischen wohnen auch einige in Schöneweide und fühlen sich wohl. Die HTW veranstaltete zum Jubiläum am neuen Standort einen Plakatwettbewerb, dessen Ergebnis am Freitag präsentiert wurde: Ein Kreis aus bunten Hände-Abdrucken, darunter der Text: „Rassismus ist Schweineöde – Vielfalt ist Schöneweide“. 250 Plakate sollen im Stadtteil aufgehängt werden, eine Art Gegenpropaganda zu den Nazi-Aufklebern an Laternen und Stromkästen. Ähnliche Versuche in der Vergangenheit, mit Malereien oder Plakaten für ein offenes und menschliches Schöneweide zu werben, wurden recht schnell von rechten Trupps zerstört oder übermalt. Vielleicht hängen die Plakate diesmal etwas länger.

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