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Berlin: Enger Stellenplan für Gesundheitsdienst

Ausschuss verabschiedet Personalkonzept Opposition spricht von „Betrug“ und „Schweinerei“

Von Sabine Beikler

Die Amtsärzte Andreas Beyer aus Steglitz-Zehlendorf und Claudia Wein aus Lichtenberg fanden im Gesundheitsausschuss am Montag drastische Worte für den Zustand des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) und die Personalknappheit. „Wir gehen auf dem Zahnfleisch, sind aufgrund der schlechten Vergütung nicht mit Krankenhausärzten konkurrenzfähig und müssen abwägen zwischen Pest und Cholera, was wir überhaupt an Aufgaben noch leisten können“, sagte Wein. Im ersten Halbjahr 2009 konnten deshalb in Friedrichshain-Kreuzberg nicht alle Erstklässler untersucht werden, in Lichtenberg wiederum musste der psychiatrische Dienst für vier Wochen ausfallen. Mindestens 2017 Stellen seien im ÖGD notwendig, sagten die Ärzte. Verabschiedet haben SPD und Linke gegen CDU, Grüne und FDP gestern aber ein Personalkonzept, wonach 1905 Stellen ab 2013 vorgesehen sind.

Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher wies auf die „engen Rahmenbedingungen“ im Haushalt hin und sprach von einem „Kompromiss“ bei der Zielzahl von 1905 Stellen. Möglichkeiten für Einsparungen sieht die Linkspolitikerin in den bislang 36 Stellen für therapeutische Teams, die auf 18 Stellen reduziert werden könnten. Auch die Sozialarbeiterstellen im Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst und in der Verwaltung könnten reduziert werden. „Die Aufgabenerfüllung im ÖGD ist schwierig, aber mit dem Soll lösbar“, sagte Lompscher.

Laut Personalkonzept, das der Senat vergangene Woche verabschiedet hat, gibt es im ÖGD zurzeit 1755 Stellen. „Reell arbeiten aber viel weniger in den Gesundheitsämtern“, sagte Andreas Beyer, Sprecher der Berliner Amtsärzte. Es gebe große Schwierigkeiten bei den Nachbesetzungen, weil die Bezirke „nicht konkurrenzfähig“ seien. Ein Arzt im ÖGD erhält als Grundvergütung zwischen 2948 und 3531 (als Oberarzt) Euro im Monat. Ein Arzt im kommunalen Krankenhaus erhält laut Tarif zwischen 3317 und 5481 (Oberarzt) Euro.

Die SPD-Gesundheitspolitikerin Stefanie Winde sagte offen im Ausschuss, dass die Diskussion über eine Zielstruktur im ÖGD „nicht sehr glücklich gelaufen ist. Wir bekommen aber keine andere Personalzahl.“ Mit dem Personalkonzept könne der ÖGD immerhin „verlässlich arbeiten“. Außerdem habe der ÖGD jetzt einen eigenen Einstellungskorridor, ohne auf den Stellenpool zurückgreifen zu müssen. „Ein Durchbruch“, sagte Winde.

CDU-Gesundheitspolitiker Mario Czaja warf der Koalition „Betrug“ vor, weil sie auf die Argumente der Fachleute nicht einginge. Das sei ein „Offenbarungseid“ der Regierung, die Gesundheitsversorgung betreffend.

Grünen-Politikerin Elfi Jantzen kritisierte, dass das von Projektgruppen über Jahre erarbeitete Konzept für ein „Mustergesundheitsamt“ sang- und klanglos in den Schubladen der Verwaltung verschwand. „Das ist eine Schweinerei. Die erarbeiteten Standards wurden nicht berücksichtigt.“

In der verabschiedeten Vorlage, die im März im Hauptausschuss beraten wird, werden auch Qualitätsstandards für die Gesundheitsämter mit einer regelmäßigen Evaluation festgeschrieben. Lompscher sicherte dem Ausschuss zu, dass sie demnächst den Abgeordneten eine Zielstruktur mit einem Stellenplan zukommen lassen werde. Sabine Beikler

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