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Berlin: Engpass bei Schulplätzen: Böses Erwachen nach dem Umzug ins Grüne - Familien unterschätzen die Klippen beim Schüleraustausch Berlin-Brandenburg

Der Wegzug ins Umland bleibt für Berliner Familien mit schulpflichtigen Kindern eine Zitterpartie. Das Angebot insbesondere im Oberschulbereich reicht bei weitem nicht an die Berliner Vielfalt heran.

Der Wegzug ins Umland bleibt für Berliner Familien mit schulpflichtigen Kindern eine Zitterpartie. Das Angebot insbesondere im Oberschulbereich reicht bei weitem nicht an die Berliner Vielfalt heran. Wer sich als "Speckgürtelbewohner" darauf verlässt, aufgrund seiner großen räumlichen Nähe zu Berlin an der hauptstädtischen Bildungslandschaft weiterhin teilhaben zu können, hat schon verloren, denn die Berliner nehmen die "Steuerflüchtlinge" nur dann auf, wenn die eigenen Landeskinder versorgt sind.

Zwar weist Schulsenator Klaus Böger (SPD) gern darauf hin, dass er die beiden Bundesländer als eine schulische Region auffasst und den Brandenburgern keine unnötigen Steine in den Weg legen will. Dennoch hat er intern die Devise ausgegeben, dass zuerst die Berliner versorgt sein müssen. Entsprechend verhalten sich auch die Volksbildungsstadträte in den Bezirken: Selbst "Superschüler", die nur wenige hundert Meter von der Landesgrenze entfernt wohnen, werden aussortiert, wenn die Kapazitäten in den für sie gut erreichbaren Berliner Schulen nicht reichen.

Nur vier Bezirke hätten alle brandenburgichen Anmeldungen annehmen können, heißt es dazu aus der Berliner Schulverwaltung. Angesichts der hauptstädtischen Finanzmisere und den Protesten gegen Unterrichtsausfall und Personalmangel, denen der Schulsenator ausgesetzt sei, könne dieses rigorose Verhalten allerdings kaum jemanden verwundern, meint ein Schulrat.

Problematisch für die Eltern ist allerdings, dass sie weder die "Devise" des Senators kennen noch die mangelnden Kapazitäten auf Brandenburger Seite. Blauäugig betreiben sie ihren Umzug, um dann zwischen den Interessen beider Länder zerrieben zu werden. Insbesondere Kinder, die für ein Gymnasium geeignet wären, erleben ein böses Erwachen, wenn sie plötzlich nur noch zwischen ein paar Gesamtschulen ohne Oberstufe "wählen" können, wie es gerade erst Schülern im Landkreis Dahme-Spreewald passierte.

Im zuständigen staatlichen Schulamt ist man nicht glücklich darüber, derartige Mitteilungen verschicken zu müssen. Der Schulrat verweist darauf, dass man versucht habe, in Königs Wusterhausen eine weitere siebte Gymnasialklasse einzurichten. Dies sei aber am Schulträger gescheitert. In Folge der großen Nachfrage hätten alle fünf Gymnasien des Landkreises nur Grundschüler aufgenommen, die mehrere Einsen auf dem Zeugnis hatten. Zwischen 1,5 und 1,8 habe der Zensurendurchschnitt liegen müssen. Letztlich gebe es im kommenden Schuljahr nur für 25 Prozent der Siebtklässler in Dahme-Spreewald einen Gymnasialplatz. Damit liegt man hier klar unter dem brandenburgischen Mittelwert von 29 Prozent. In Berlin dagegen haben sich wieder 39 Prozent der Siebtklässler an einem Gymnasium anmelden können. Zudem bleiben ihnen noch jede Menge Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe zur Auswahl.

Auch in anderen Landkreisen erleben die Zuzügler ihr blaues Wunder. Wer etwa am einzigen Gymnasium Kleinmachnows unterkommen will, kann ebenfalls mit einem reinen "Zweierzeugnis" nichts werden, erzählen betroffene Eltern, weshalb sie die Ummeldung in den Landkreis Potsdam Mittelmark so lange hinauszögerten, bis die Umschulung in ein Zehlendorfer Gymnasium perfekt war. Allerdings ist dies nicht immer eine Lösung, denn viele Familien sind auf die Eigenheimprämie von 5000 Mark (plus 2000 Mark pro Kind) angewiesen, die das Land den Häuslebauern pro Jahr zahlt, weshalb sie sich schnellstens ummelden müssten.

Im ungenügenden Gymnasialangebot liegt aber nicht das einzige Risiko für Umzügler. Trügerisch ist auch die Sicherheit, in der sich Eltern wiegen, die ihr Kind zum Zeitpunkt des Umzugs bereits in einer Berliner Schule angemeldet haben. Im Gastschülerabkommen beider Länder steht nämlich lediglich, dass ein begonnener Bildungsgang trotz Umzugs fortgesetzt werden kann. Wer etwa nach dem Besuch einer Berliner Realschule auf ein Berliner Gymnasium wechseln will, hat schlechte Karten, weil dies als neuer Bildungsgang gilt: Er müsste gemäß der Rechtslage in Brandenburg einen Schulplatz suchen.

Ähnlich ergeht es Kindern, die die Vorklasse einer Berliner Grundschule besuchen. Wenn sie keine besonderen Gründe geltend machen können, warum sie ausgerechnet auf dieser Schule bleiben müssen, kann man die Eltern zwingen, das Kind nach der Vorklasse aus der Schule herauszuholen und in die erste Klasse einer Grundschule am brandenburgischen Wohnort umzuschulen. Es ist nämlich nicht so, dass die Eltern lediglich zwischen den knappen Kapazitäten Brandenburgs einerseits und den Berliner Sparzwängen andererseits zerrieben würden. Vielmehr gibt es noch die Hürde, die da lautet "Freistellungsbescheinigung".

Dies bedeutet, dass sich brandenburgische Eltern, die ihr Kind in Berlin zur Schule schicken wollen, per Antrag von der Schulpflicht in Brandenburg befreien lassen müssen. Da hier jedoch der Geburtenrückgang die Existenz vieler Schulen bedroht, liegt es nicht immer im Interesse der staatlichen Schulämter, die "Befreiung" zu erteilen. Auch in diesem Falle bleibt den Eltern nur der Ausweg, ihr Kind formal bei Verwandten oder Freunden in Berlin anzumelden.

Dass das Procedere beim Schüleraustausch in den kommenden Jahren nennenswert erleichtert wird, ist nicht absehbar. Die Lage ist auch deshalb so gespannt, weil Brandenburg bisher nicht bereit war, die verlangten Ausgleichszahlungen für die Beschulung seiner Landeskinder in Berlin in voller Höhe zu zahlen. Allerdings steht Ende Juni eine neue Verhandlungsrunde an.

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