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Berlin: Entflammte Prinzessin

Noch vor den Kritikern streiten bei einer Gala-Vorpremiere Prominente über Doris Dörries Inszenierung der Puccini-Oper „Turandot“ im Stil eines bunten Comics

Im Kampf der Opern um die Aufmerksamkeit des Publikums gibt es eine neue Waffe: die Vorpremieren-Gala. Bevor die notorisch mäkeligen Fachkritiker nach der eigentlichen Premiere das strenge Wort erheben, lässt man ein prominentes Vorab-Publikum sprechen. Das ist per se milder, und wenn man es mit gutem Wein begießt, blüht es erfahrungsgemäß richtig auf. Dass es bei der Gala-Vorpremiere der Turandot-Inszenierung von Doris Dörrie in der Staatsoper neben heftiger Begeisterung auch leidenschaftliche Kritik gab, spricht für die Inszenierung, die gute Chancen hat, zum Stadtgespräch zu werden. Doris Dörrie hat Puccinis Oper über die eisige Prinzessin, die alle Freier töten lässt, die ihr Rätsel nicht lösen können (am Ende aber von dem richtigen Prinzen selbst erlöst wird), im Stil eines asiatischen Comics für Teenager inszeniert. Ein Riesenhandy spielt dabei ebenso eine Rolle wie ein überdimensionierter Teddybär, in dem die kindliche Prinzessin wohnt.

Guido Westerwelle war hingerissen: „Phantastisch! Eine der fünf besten Inszenierungen, die ich je gesehen habe“, sagte der FDP-Chef. Ganz anders der Historiker Arnulf Baring, der es schon nach dem ersten Drittel sehr bescheiden fand und von „Heckmeck“ sprach, um am Schluss zu schäumen: „Eine gedankenlose Geschmacklosigkeit.“ Anderen tat es leid, dass die knalligen Kulissen die schönen Stimmen so in den Hintergrund drängten. Der Literaturagentin Karin Graf war das alles schlicht „zu bunt“. Otto Sander fand es „sehr, sehr überhöht“. Leise amüsiert fühlte sich der Bevollmächtigte der Katholischen Kirche beim Bund, Karl Jüsten, ein bisschen an Phantasialand oder Disney World erinnert.

„Witzig“, das war das favorisierte Wort des Abends bei den Unentschlossenen, weil es als Kommentar gleichermaßen Distanz und Humor enthält. Udo Walz bekannte sich souverän als Anhänger eher klassischer Inszenierungen, und Isa Gräfin von Hardenberg fragte anfangs, ob man dem Prinzen nicht etwas Schöneres hätte anziehen können. (Er trug eine an DDR-Schick anmutende Trainingsjacke.) Sehr begeistert hingegen Altbundespräsident Walter Scheel, dem es „blendend“ gefiel: „So kann man chinesische Romantik auf die Bühne bringen, man muss abstrahieren.“ Star-Anwalt Matthias Prinz war ebenfalls sehr angetan von der Inszenierung und traut ihr zu, ein Publikum anzuziehen, das sonst nicht ständig in die Oper geht. Manche, die in den Pausen noch kritisch waren, sagten beim mitternächtlichen Büfett, dass der grandiose Chor und der einfallsreiche Schluss sie umgestimmt hätten.

Den Übergang aus dem stolzen Eis unerweckter Gefühle ins Feuer einer mit ungekannter Demut einhergehenden Liebe gestaltet die Regisseurin in einer für die Prada-Gesellschaft extrem verständlichen Symbolik: Freiwillig streift sich die Prinzessin eine alte Trainingsjacke über. Womit die Eingangsfrage der Gräfin von Hardenberg zufriedenstellend beantwortet wäre. Das Drumherum, das Arnulf Baring so in Rage brachte, soll an dieser Stelle mit Rücksicht aufs eigentliche Premierenpublikum am Sonnabend noch unerwähnt bleiben. Diesem Publikum wünschen wir die sorglose Einstellung von Guido Westerwelle, der sagte: „Was kümmern mich die Kritiker. Ich bin Endverbraucher.“ (Fach-Kritik folgt.)

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