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Berlin: Er war seine eigene Frau

Von Steffi Bey Mahlsdorf. Charlotte von Mahlsdorf, die Gründerin des bekannten Museums am Hultschiner Damm hat am 30.

Von Steffi Bey

Mahlsdorf. Charlotte von Mahlsdorf, die Gründerin des bekannten Museums am Hultschiner Damm hat am 30. April für immer die Augen geschlossen.

Auf dem Mahlsdorfer Waldfriedhof wurde Charlotte von Mahlsdorf alias Lothar Berfelde gestern im kleinen Kreis beerdigt. Der Tod von Berlins berühmtesten Transvestiten wurde bis zu Beisetzung geheim gehalten. „Das haben ihr Bruder und ihre Schwester so gewollt“, sagt Jens Taschner, Stellvertretender Vorsitzender vom Förderverein Gutshaus Mahlsdorf. Auf Wunsch der Familie werden auch jetzt erst die Vereinsmitglieder informiert.

Noch vor 14 Tagen war Charlotte von Mahlsdorf, die seit fünf Jahren in einem kleinen Ort in Schweden lebt, zu Besuch in Berlin. Und natürlich kam sie auch in das eher unscheinbare Haus in dem sie fast ihr ganzes Leben verbracht hatte. Hier traf sie langjährige Freunde, in Mahlsdorf fühlte sie sich immer noch wohl. Wenn Charlotte in Mahlsdorf war, zog es immer besonders viele Besucher zu ihren Lesungen. Manch einer hörte sich mehrmals die Anekdoten aus ihrem Buch „Ich bin meine eigene Frau“ an.

Auf der jüngsten, anstrengenden Reise versagte das Herz der 74-Jährigen. „Wir wissen nichts von einer Krankheit“, sagt Taschner. „Es ist wohl das Ergebnis ihrer unaufhaltsamen Tätigkeit“, sagt er. Sie sei ein bewundernswerter Mensch gewesen, der als Transvestit immer Toleranz vorlebte. Für ihr Engagement auch um die gesellschaftliche Anerkennung anders lebender Menschen erhielt Charlotte von Mahlsdorf vor zehn Jahren das Bundesverdienstkreuz. Taschner könnte sich vorstellen, künftig im Gutshaus eine Sonderausstellung zu Ehren der Museumsgründerin zu zeigen. „Aber das muss alles erst noch besprochen werden.“

Vor 42 Jahren hat Charlotte von Mahlsdorf erstmalig ihre Gründerzeitsammlung öffentlich gemacht. Damals führte sie ganz spontan, wie sie später gern erzählte, Straßenbahnarbeiter und Gärtner des angrenzenden landwirtschaftlichen Betriebes, durch das Gebäude. Ihre Schätze, einzigartige Kommoden, Schränke und Musikautomaten, konnte sie damals allerdings nur in zwei Räumen zeigen. Erst nach und nach wurden die anderen von ihr hergerichtet und gestaltet.

Später gab es dann acht Ausstellungsräume. Die „Mulack-Ritze“, eine mit original Möbeln nachgebaute Zille-Kneipe, mochte sie besonders gern. Charlotte von Mahlsdorf hatte die Einrichtung der echten „Mulack-Ritze“ im Scheunenviertel gerettet, als das alte Haus, in dem sie sich befand abgerissen wurde.

Als sie vor fünf Jahren Deutschland verließ, plante Charlotte einen Neuanfang in Schweden. Sie eröffnete auch dort ein kleines Museum.

Ihre Mahlsdorfer Sammlung gehört inzwischen dem Bezirk. Um die Bezahlung gab es allerdings ein langes Hinundher. Die Lotto-Stiftung hatte den Kauf der 523 000 Mark teuren Gegenstände mit einem Zuschuss von 400 000 Mark ermöglicht. Weil aber Charlotte den Restbetrag nicht bekam, klagte sie 1998. Bezirksbürgermeister Uwe Klett (PDS) ließ daraufhin zunächst den Betrag aus Haushaltsmitteln überweisen – eine Notlösung, denn mit dem Griff in die Bezirkskasse hatte er gegen die Satzung der Stiftung verstoßen.

Das 221 Jahre alte, denkmalgeschützte Haus, gehört dem Verein, der es mit Hilfe von Sponsoren aufwendig saniert. Auch während der Bauarbeiten gibt es Führungen. Allein im vergangenen Jahr kamen mehr als 10 000 Gäste. Und schon mehr als 300 Paare ließen sich im historischen Ambiente trauen.

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