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Erlebnis Meck-Pomm: Die Ostsee schillert in seltsamen Farben

Nach den Küstenabbrüchen bei Sassnitz bietet sich derzeit ein besonderes Naturschauspiel

Hat das Wasser nun die Farbe eines Kokos-Shakes oder doch die eines Milchkaffees? Die Beschreibungen der Ostsee vor den Kreidefelsen zwischen Sassnitz und dem Königsstuhl gehen derzeit weit auseinander. Das sonst so klare Wasser hat sich in den vergangenen drei Wochen so hell gefärbt, dass die Fantasie der Besucher immer neue Vergleiche hervorbringt.

Starke Regenfälle im Frühjahr verursachten Mitte April, dass auf etwas mehr als 100 Meter Länge zehntausende Kubikmeter Kreide auf den Strand und ins Meer rutschten – und die Ostsee in der Umgebung weiß und türkisgrün durchmischten. Trotz dieser neuerlichen Abbrüche – vor drei Jahren verschwanden bereits die spektakulären Wissower Klinken – sind die Kreidefelsen noch immer das bekannteste Wahrzeichen Rügens. „Jeder passt natürlich auf sich selbst auf“, sagt der Nationalparkranger Klaus Schimankowitz zum Beginn einer geführten Wanderung vom nördlichen Sassnitzer Stadtrand in Richtung Königsstuhl. „Auf den Wanderwegen oder am Strand besteht aber keine akute Lebensgefahr.“ Nur bei einer erneuten langen Regenperiode werde er vorsichtiger.

Der einstige Seemann und Forstarbeiter muss auf seiner Führung nicht nach großen Worten suchen, um die Aufmerksamkeit der Teilnehmer zu wecken. Der Kontrast zwischen dem saftigen Grün der uralten Buchenwälder und den von der Sonne angestrahlten Kreidefelsen fasziniert beim ersten Anblick. Schon seit 1929 steht die Halbinsel Jasmund, heute mit 3000 Hektar der kleinste Nationalpark Deutschlands, unter Naturschutz. „Seit einigen Jahren wird hier nicht mehr aufgeräumt“, erklärt Klaus Schimankowitz. „Alle umgefallenen Bäume bleiben wie in einem Urwald liegen.“

Beim Blick vom Waldrand auf die Felsen kommt das Gespräch schnell auf Caspar David Friedrichs „Kreidefelsen auf Rügen“. Auf der Insel wurde viel darüber gerätselt, an welcher Stelle der immerhin zwölf Kilometer langen Kreideküste er 1818/19 das Motiv für sein Gemälde wohl gefunden haben könnte. Lange Zeit schrieben Reiseführer von einer starken Ähnlichkeit mit den Wissower Klinken, aber es dürfte nach aktuellen Erkenntnissen wohl die kleine Stubbenkammer, südlich der Victoriasicht, gewesen sein. Der Nationalparkranger einigte sich mit seinen Kollegen auf eine recht plausibel klingende Erklärung: „Caspar David Friedrich hat während seines Rügenaufenthaltes viele Skizzen angefertigt, die er dann später im Atelier zu einem großen Gemälde zusammenfügte.“

Trotz der neuerlichen Abbrüche dürften sich noch viele Generationen über die Kreidefelsen freuen, versichert Klaus Schimankowitz. Da verlasse er sich ganz auf die Meinung der Experten. Wer es genauer wissen will, fragt im Kreidemuseum in Gummanz nach. Dessen Chef Thomas Fitzke hält die Abbrüche für „ganz normale Erosionsprozesse“. Die 67 bis 69 Millionen Jahre alte Kreide bestehe aus Kalkablagerungen einzelliger Lebewesen. Während der Eiszeit kam es dann vor 12 000 Jahren zu Verwerfungen, die die Kreideplatten um bis zu 90 Grad in ihre heutige Lage kippten. „Hinter den Kreideschichten befinden sich Erd- und Geröllmassen“, erklärt Fitzke. „Wenn es dann so heftig wie im letzten Frühjahr regnet, sucht sich das Wasser seinen Weg und sprengt aus den undurchlässigen Kreidefelsen große Massen heraus.“

Den Königsstuhl hält der Museumschef aber für „standhaft“. Er stehe weitgehend frei, so dass das Regenwasser an ihm vorbei ins Meer fließen und keinen übermäßigen Druck ausüben könne – eine beruhigende Prognose beim Blick auf die getrübte Ostsee.

Weitere Informationen im Internet:

www.koenigsstuhl.com

www.kreidemuseum.de

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