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Mehrere Bandidos-Rocker planten offenbar einen Bombenanschlag auf Überläufer.

© dapf

Update

Erneut Razzien: Polizei vereitelt Sprengstoffanschlag auf Rocker

Die Polizei hat drei Rocker festgenommen, die Überläufer zu den Hells Angels offenbar mit einem Bomben-Anschlag töten wollten. Ermittler fürchten eine weitere Eskalation des Konflikts. Am Mittwochmorgen gab es erneut Razzien in drei Bundesländern.

Berlins Sicherheitsbehörden waren bereits alarmiert. Und ihre Befürchtungen vor einer Eskalation der Rockergewalt in Berlin scheinen sich zu bestätigen: Nur dank eines Tipps der Polizei aus Schweden konnte offenbar ein Bombenanschlag vereitelt werden. Ermittler gehen davon aus, dass Mitglieder der Bandidos einen blutigen Racheakt gegen Überläufer zum Konkurrenzklub Hells Angels in Berlin planten. Und die Sicherheitsbehörden nehmen an, dass der Konflikt zwischen den Rockergruppen inzwischen weit über die Grenzen der Hauptstadt hinausreicht – denn die Order für das Attentat soll von der Europa-Führungsebene erteilt worden sein.

Seit Mittwochmorgen 6.00 Uhr werden auf Veranlassung der Berliner Polizei elf Objekte in Brandenburg, Sachsen und Baden-Württemberg durchsucht. Es handelt sich vorrangig um Wohnungen ehemaliger Mitglieder einer Ende Mai verbotenen Untergruppierung der Berliner Hells Angels. Durchsuchungen laufen in Cottbus, Eberswalde und Britz (Brandenburg), Bautzen, Chemnitz und Dresden (Sachsen) und Karlsruhe (Baden-Württemberg), wie ein Sprecher der Berliner Polizei auf sagte. Neben Wohnungen sei auch ein Vereinsheim in Chemnitz dabei.

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In Brandenburg und in Baden-Württemberg waren die Einsätze laut Polizei nach etwa einer Stunde abgeschlossen. In Sachsen hielten sie am Vormittag vereinzelt noch an.

Es ging nicht um Festnahmen, wie der Sprecher sagte, sondern es sollte Vermögen der verbotenen Rockergruppe sichergestellt werden. Zugleich wollte die Polizei Erkenntnisse über grenzüberschreitende Strukturen und Immobilien gewinnen. Beschlagnahmt wurden nach bisherigen Erkenntnissen szenetypische Rockerbekleidung, die ebenfalls unter das Verbot fällt, und Unterlagen, die jetzt ausgewertet werden sollen.

Hintergrund der Razzien ist laut Polizei das Ende Mai von Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) erlassene Verbot der Ortsgruppe „MC Berlin City“ des Rockerclubs Hells Angels. Im Einsatz waren insgesamt 100 Beamte der jeweiligen Landespolizei, die Berlin Amtshilfe leisten.

Anfang Juli nahmen Polizeibeamte im Überseehafen Rostock drei Männer fest, ein Schwede, die anderen beiden stammen aus Mazedonien und Iran und leben mit Aufenthaltsstatus in Dänemark. Zwei sind Mitglieder der Bandidos, einer aus dem schwedischen Helsingborg, der andere von der Elitetruppe „Nomads“. Der dritte steht in enger Verbindungen zu dem Rockerklub. Sie waren mit einem Mietwagen aus Schweden unterwegs und mit der Fähre aus Dänemark gerade in Rostock angekommen, als die Polizei zuschlug. Im Gepäck fanden die Beamten drei Stangen Sprengstoff, insgesamt 700 Gramm, eine Sprengkapsel und schusssichere Westen. Die drei Rocker sitzen jetzt in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Rostock und das Landeskriminalamt (LKA) Mecklenburg-Vorpommern wollen sich wegen der laufenden Ermittlungen noch nicht äußern.

Das Motiv der Attentatspläne: Rache

Auch in Berlin ist die Stimmung bei den Sicherheitsbehörden angespannt. Die für Rocker zuständigen LKA-Beamten und das Mobile Einsatzkommando arbeiten an der Belastungsgrenze, heißt es aus Polizeikreisen. Die vermutlichen Zielpersonen des Anschlags stehen unter ständiger Beobachtung. Es soll sich um die Chefs der Bandidos-Niederlassungen handeln, die Ende Mai zu den Hells Angels in Berlin und Potsdam übergelaufen waren, um ein Verbot zu umgehen. Darunter Grischa V., bis dahin einer der wichtigsten Rocker bei den Bandidos in Ostdeutschland, der die Geschäfte und internen Strukturen des Klubs in Deutschland bestens kennt.

Das Motiv für die Attentatspläne ist daher Rache. Die Bandidos wollten Berlin nicht kampflos aufgeben, sagen Szenekenner. Der Rockerklub müsse Überläufer bestrafen und könne es nicht hinnehmen, in Berlin von den Hells Angels verdrängt zu werden. Laut Ermittlern haben die Bandidos in den vergangenen Wochen erheblich an Einfluss verloren. Sie rechnen für den nächsten Wochen mit dem schlimmsten.

Anfang Juni war der Hells-Angels-Chef André Sommer angeschossen worden. Einen Monat später wurden zwei Bandidos in Wedding von Schüssen getroffen, als in dem Vereinsheim gerade die Bandidos-Führungsriege tagte. Hinzu kommt ein Ultimatum der Hells Angels, wonach seit dem 1. Juli kein anderer Klub in Berlin geduldet wird. Schließlich warnte die Polizei intern vor der Verschärfung des Konflikts. Es müsse damit gerechnet werden, dass „scharfe Schusswaffen und Sprengstoff Verwendung finden“, hieß es. Zudem befürchteten die Behörden, Rocker aus Skandinavien, wo jahrelang ein blutiger Rockerkrieg tobte, könnten eingreifen. Fahrzeuge aus Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland sollen verstärkt kontrolliert werden. „Berlin ist für die rivalisierenden Banden von großer strategischer Bedeutung“, sagte Innensenator Frank Henkel (CDU). „Wer in Berlin an Einfluss verliert, verliert ihn im ganzen Osten Deutschlands. Deshalb tobt hier die Auseinandersetzung.“ (mit dapd)

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