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Berlin: Erneut Unfall mit S-Bahn: Zug rammt Ast

Fahrer erleidet Schock bei Aufprall in Grunewald Im Bahnhof Westkreuz kümmerten sich Retter um Fahrgäste.

Erst ist am Dienstag ein Zug der S 25 in Tegel entgleist, nun wurde am gestrigen Donnerstag beim Bahnhof Grunewald eine Bahn der S 7 von einem abgestürzten Ast gestoppt. Wie in Tegel, wo es sechs Leichtverletzte gegeben hatte, verlief auch dieses Mal der Unfall glimpflich. Alle Fahrgäste blieben nach Angaben der Bahn unverletzt, der Fahrer erlitt allerdings einen Schock. Der nach Angaben der Bahn morsche Ast hatte die Frontscheibe des Zuges beschädigt.

Der Verkehr war von 10.10 Uhr bis gegen 12.20 Uhr unterbrochen. Zwischen Westkreuz und Grunewald fuhren Busse. Fahrgäste sind hier auf die S-Bahn angewiesen, weil die parallele Strecke der Regionalbahn zwischen Charlottenburg und Wannsee noch bis Dezember gesperrt ist.

Obwohl Mitarbeiter schnell am Unfallort waren, konnten die Züge erst nach zwei Stunden wieder fahren. Kunden berichteten, dass Motorsägen zum Zerlegen des Astes, der zum Teil unter dem Zug lag, zunächst nicht funktioniert hätten. Außerdem war die Feuerwehr beim Alarm zum falschen Ort geschickt worden und brauchte somit länger als sonst, sagte Sprecher Wolfgang Rowenhagen. Der beschädigte Zug mit den Fahrgästen an Bord konnte dann zum Bahnhof Westkreuz fahren, wo Notärzte und Krankenwagen bereitstanden. Aber nur ein Fahrgast sowie der Triebfahrzeugführer hätten dort noch Hilfe gewollt, sagte Rowenhagen.

Schon mehrfach sind Züge gegen umgestürzte Bäume gefahren. Der Bewuchs an den Gleisen wird nach Angaben eines Bahnsprechers einmal im Jahr kontrolliert. Zwischen Gleis und Baum muss es einen Abstand von sechs Metern geben. Nach Angaben eines Insiders hat der Bereich Netz die Kontrollaufträge meist an Subunternehmen übergeben, um Kosten zu sparen – wie beim Enteisen von Weichen im Winter, was zuletzt zu erheblichen Problemen geführt hatte.

Das Kontrollieren der Bäume sei ein schwieriger Job, sagte der Baumexperte Christian Hönig vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Nur mit einer guten Ausbildung könne man erkennen, ob Äste oder gar der gesamte Baum morsch seien. Hönig empfiehlt einen Kontrollrhythmus von neun Monaten. Dann erfasse man innerhalb von zwei Jahren alle vier Jahreszeiten.

Auch die Entgleisung in Tegel fällt in den Bereich Netz, von dem der Bahnkonzern jährlich Gewinne mindestens im dreistelligen Millionenbereich fordert. Netz ist für den Betrieb in den Stellwerken zuständig. Dort waren, wie berichtet, zum Unfallzeitpunkt zwei Fahrdienstleiter im Einsatz. Trotzdem haben sie nach Tagesspiegel-Informationen eine Weiche zu früh umgestellt, so dass der Zug, der sie gerade überfuhr, mit vier von sechs Wagen auf ein anderes Gleis geleitet wurde. Zwei Wagen sprangen aus den Schienen.

In der Nacht zuvor hatte ein Blitz in die Sicherungsanlagen eingeschlagen, worauf der Betrieb zunächst unterbrochen worden war. Obwohl die Gleisbesetztmeldeanlage nicht funktionierte, wurde der Betrieb am Morgen wieder aufgenommen – unter besonderen Vorschriften. Wie hoch dadurch die Belastung der Stellwerker war, die sich nicht mehr auf die Automatik verlassen konnten, ist unklar.

Die Folgen des Sparens im Netzbereich zeigten sich auch nach dem Unfall. Um die Fahrzeuge wieder auf die Schienen stellen zu können, musste ein Eisenbahnkran aus Leipzig angefordert werden. Früher war auch einer in Berlin stationiert. „Die wahren Probleme der S-Bahn liegen beim Bereich Netz“, kritisiert deshalb Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb.

Immerhin konnten die Züge der S 25 aus Teltow Stadt am Donnerstag wieder bis Tegel fahren. Am Sonnabend sollen sie es auch wieder bis zur Endstation Hennigsdorf schaffen. Klaus Kurpjuweit

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