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Alle Jahrgänge in Nachbarschaft. Die evangelische Daniel-Gemeinde weihte am Sonnabend einen Bildungscampus ein: mit Kita, Schule und Seniorenbetreuung.

© Cornelia Kästner

Eröffnung des "Campus Daniel": Bildung für alle Jahrgänge

Innovatives Schulprojekt: Im evangelischen „Campus Daniel“ in Wilmersdorf lernen Kitakinder, Grundschüler, Jugendliche und Senioren künftig Tür an Tür. Und das Projekt soll noch weiter wachsen.

Das helle, frische Frühlingsgrün ist überwältigend. Grün die Böden, grün die Wände, als wolle man signalisieren: Hier wächst etwas. Am Sonnabend wurde in Wilmersdorf der evangelische „Campus Daniel“ eröffnet. Mehr als alle Reden von Bischof, Bürgermeistern und anderen Honoratioren bringt diese Farbe zum Ausdruck, dass hier ein Aufbruch stattfindet, etwas Neues entsteht – dass hier Menschen Mut haben.

Auf 4000 Quadratmetern spielen künftig Kitakinder, lernen Grundschüler, treffen sich Jugendliche und Senioren. Das Besondere: Die verschiedenen Altersgruppen leben und lernen nicht nebeneinander her, sondern gemeinsam. Senioren geben zum Beispiel im Hort Gitarrenkurse, helfen bei Hausaufgaben, spielen mit den Kindern und lernen dabei selbst noch etwas. Die Konfirmanden übernehmen im Umgang mit den Kleineren Verantwortung und sind Vorbild. Alle gemeinsam organisieren Feste.

Auch strukturell sind die Einrichtungen miteinander verzahnt: Es gibt eine kollektive Campus-Leitung, eine gemeinsame Haushalts- und Personalplanung. So soll es zumindest einmal sein. Das Konzept ist neu, in Berlin hat noch keine andere Kirchengemeinde derart Bildungseinrichtungen verknüpft. Deshalb weiß auch noch keiner, ob es aufgehen wird. Am Sonnabend jedenfalls wurde der evangelische Bildungscampus Daniel feierlich eröffnet.

Damit Kita, Schule, Sozialstation, Jugend- und Seniorenarbeit auf dem Gelände der Daniel-Gemeinde an der Brandenburgischen Straße/Ecke Münstersche untergebracht werden können, haben der Kirchenkreis und die Gemeinde angebaut: Den schmucklosen Flachbau aus den 60er Jahren an der Brandenburgischen Straße mit Kirchsaal und Gemeinderäumen überwölbt nun ein dreistöckiger Neubau, in den im August die stetig wachsende evangelische Grundschule Wilmersdorf mit ihren 240 Schülern eingezogen ist. Der Kirchsaal wird jetzt auch als Schulaula genutzt, die neuen Gemeinderäume, in denen sich Senioren und Konfirmanden treffen, grenzen unmittelbar an die Klassenräume. Spätestens auf dem Schulhof, zu dem hin sich die Mensa und das Gemeindecafé öffnen, läuft man sich über den Weg.

Auf der anderen Seite des Hofes stehen drei frühere Pfarrhäuser, ebenfalls aus den 60er Jahren. In einem wohnt der Pfarrer, in die anderen zieht Anfang Oktober die Diakonie-Station Wilmersdorf und öffnen verschiedene Beratungsstellen ihre Türen. „Bildung begleitet das ganze Leben“, sagte Harald Grün-Rath, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Wilmersdorf. Auf dem Campus sollen sich Alte und Junge begegnen, solche mit wenig und solche mit mehr Geld, Kranke und Gesunde. Bunt soll es zugehen, so bunt, wie das Leben nun einmal ist. Oder wie es Bischof Markus Dröge ausdrückte: „Bildung im christlichen Sinne zielt nicht nur auf das Funktionieren in der Arbeitswelt, sondern umfasst den Menschen mit all seinen Talenten, Hoffnungen und Wünschen.“ Auf dem Campus Daniel gehört dazu natürlich auch die religiöse Bildung. „Zu wissen, woran Christen, Juden und Muslime glauben, und zu fragen, warum Menschen Religion für Gewalttaten missbrauchen, wird immer wichtiger“, sagte Dröge.

7,5 Millionen Euro hat die Verwandlung der Daniel-Gemeinde in den „Campus Daniel“ gekostet, finanziert durch Kirchenkreis, Gemeinde, Lotto-Stiftung und Darlehen. Das letzte Gerüst wurde Sonnabendfrüh abgebaut, im Kitagarten liegt noch Bauschutt. „Ich hatte schon die Einladung und fragte mich jeden Tag: Wie wollen die das denn schaffen?“, sagte Klaus Wowereit, der nicht nur als Regierender Bürgermeister zur Eröffnung gekommen ist, sondern auch als Nachbar. Er wohnt direkt gegenüber. Ihm gefällt besonders der generationenübergreifende Ansatz, weil so die Gemeinschaft gestärkt werde. „Es gibt Bereiche in der Stadt, wo man sich gegen Neues wehrt“, sagte Wowereit, „aber Stadt bedeutet, dass eben auch mal die individuellen Ansprüche zurücktreten vor dem Gemeinwohl“.

Unter den etwa 700 Eröffnungsgästen waren viele Kinder, die ihren Eltern stolz die neuen Klassenräume zeigten. Eine Mutter beklagte, dass der Schulhof so klein sei. „Ist ja erst der Anfang“, antwortete Superintendent Harald Grün-Rath. Man wolle auch das Grundstück nebenan kaufen, auf dem sich jetzt ein Sportcenter und ein Parkplatz befinden. Dorthin soll der Schulhof erweitert und vielleicht ein Seniorenwohnheim gebaut werden. Das Grundstück wolle man zusammen mit Chabad Lubawitsch kaufen.

Die orthodoxe jüdische Gemeinschaft hat ihr Gemeindezentrum und ihre Kita direkt neben dem Campus Daniel. Eine christlich-jüdische Kita- und Seniorenpartnerschaft wäre etwas Neues für Berlin. Wo einmal Mut zum Aufbruch gefunden ist, da gibt es eben manchmal keine Grenzen mehr. Claudia Keller

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