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Eröffnung: Volles Haus im renovierten Stasi-Museum

Die Eröffnung des renovierten Stasi-Museums hat am Freitag die Besucher massenweise angelockt. Die neue Ausstellung zeigt das Büro des DDR-Ministers Erich Mielke – und den langen, brutalen Arm der Behörde.

In der unteren Etage mag mancher Ausstellungsbesucher noch scherzen. „So ’ne blaue Bluse hättest du gehabt“, sagt ein Vater zu seiner 14- oder 15-jährigen Tochter und weist auf die obligatorische FDJ-Dienstbekleidung, die in der neuen Ausstellung in der Lichtenberger Stasi- Zentrale zu sehen ist. Am „Bürgertag“ ist es voll in dem Gebäude, in dem bis zum Untergang der DDR Stasi-Minister Erich Mielke seine Behörde zur Unterdrückung des eigenen Volks führte. Ein Jahr lang wurde das Haus mit Mielkes Originalbüro für elf Millionen Euro renoviert. Jetzt gehen einzelne alte Frauen und Männer mit Sinn für jedes einzelne Ausstellungstück durch die Zimmer, während Familien mit ungeduldigen Kindern von Raum zu Raum eilen.

Wer die fast harmlos wirkende Einführung zur SED-Parteigeschichte mit FDJ- Blauhemden, Marx-Engels-Lenin-Wandbehängen und den aus Holz geschnitzten Arbeiterfäusten hinter sich gelassen hat, gelangt in die Chefetage – und hat aus jedem Fenster den Blick auf noch mehr Stasi, teils in Altbauten, teils in DDR-Platten in Hochhaushöhe untergebracht: Mielkes Dienstgebäude liegt im Zentrum eines Blocks an der Lichtenberger Ruschestraße, in dem Stasi-Leute vollversorgt worden. Dort gab es von der Verwaltung bis zu Medizinern alles, was Geheimdienstler brauchen konnten.

Der Staatsicherheitsminister selbst verfügte außer über den legendären, gewiss fünf Quadratmeter großen Massivholzschreibtisch, über einen Aktenvernichter vom Typ „Intimus Impuls“ mehrere Sitzungszimmer sowie einen Schlafraum samt Fernseher, Telefon am Bett und Gardinen mit geometrischen Mustern. „Überbordend schick ist es nicht“, sagt ein mittelalter Mann zu seiner Begleiterin.

Mielke muss eine Vorliebe für die Farbe Braun gehabt haben. Der Raum mit den flachen Tischchen und den Kunstledersesseln diente, wie eine Museumsmitarbeiterin erläutert, dem Feiern nach den wichtigen Sitzungen. Eine Küche habe es gegeben, sagt die Frau – und eine Extratreppe nach draußen auf den Hof, wo neben dem Garagentrakt die Dienstwagen parkten. Über diese Treppen hätten Mielkes hochrangige Untergebene nach feucht-fröhlichen Abenden auf kurzem Weg zu ihren Autos gefunden, um nicht „durchs ganze Haus und am Pförtner vorbei schwanken zu müssen“.

Zum Bürgertagsprogramm gehören auch Gespräche mit Bürgerrechtlern wie Ulrike Poppe und Vera Lengsfeld. Auch Joachim Gauck ist da, der frühere Chef der Stasi-Unterlagenbehörde. Als er die Versetzung einstiger Stasi-Mitarbeiter aus der Behörde unter seinem Nachfolger Roland Jahn kritisiert, erntet er Buhrufe und Pfiffe von den Besuchern.

Eine weitere Besuchergruppe strömt herein, angeführt von Lutz Pupke. Der freie Mitarbeiter des Stasi-Museums mit Stoppelschädel und -bart kennt das Gelände seit 1991. In sanftem Sächsisch sagte er den Leuten, was nicht mehr zu sehen ist – etwa der Stahlschrank hinter Mielkes Schreibtisch. Der habe ausgerechnet das enthalten, was Mielke später ins Gefängnis brachte: Unterlagen über seine Beteiligung an einem tödlichen Anschlag auf zwei Berliner Polizisten im Jahr 1931. Und dass die Telefonanlage mit derart dicken Leitungen ausgestattet sei, liege an den besonderen Ansprüchen der Staatssicherheit: Man wollte absolut abhörsicher reden können.

Was man sich ausdachte, was man plante in diesen Räumen, war in der Etage darüber zu sehen – und spätestens da verging den Leuten das Scherzen. Da geht es um Abhörtechniken der Stasi und um deren „langen Arm“ im Umgang mit Gegnern. „Musst du mal lesen“, sagt der Vater mit der Tochter im Teenageralter. Er weist auf eine Ausstellungstafel, auf der die Beschwerde eines Häftlings über die Vergeltungsmethoden nachzulesen ist. Warum er denn einen Sabotageakt zugegeben habe, war er gefragt worden. Er habe gar keine andere Aussage machen können, sagte der Häftling, weil er bei der Vernehmung „von zweien Ihrer Kollegen mit der Hand und mit einem Schlauch, in dem sich eine Spirale befand, geschlagen wurde“. Das Mädchen liest. Sein Vater besieht sich eine als Uhr getarnte Abhörvorrichtung und sagt nur noch: „Oh Mann...“. Zwei junge Männer in Kapuzenjacken studieren den Text über die Wahrnehmung des Prager Frühlings von 1968. Der krasse Gegensatz zwischen der Wahrheit und der Propaganda bringt die beiden in ein Gespräch – über den Bundespräsidenten Christian Wulff. (mit dapd)

Stasi-Museum, Ruschestraße 103, Haus 1 in 10365 Berlin (Lichtenberg). Geöffnet Montag bis Freitag 11 bis 18 Uhr, Samstag, Sonntag 14 bis 18 Uhr. Eintritt 5 €

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