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Berlin: Erst türkisch lernen, dann deutsch

In Berlin deutet sich ein Umdenken bei der schulischen Ausländerintegration an. Die einseitige Beschränkung auf den Deutschunterricht gerät zunehmend in die Kritik.

In Berlin deutet sich ein Umdenken bei der schulischen Ausländerintegration an. Die einseitige Beschränkung auf den Deutschunterricht gerät zunehmend in die Kritik. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Türkische Bund und Berlins Ausländerbeauftragte Barbara John schlossen sich gestern der Forderung des FU-Grundschulforschers Jörg Ramseger an, die Muttersprache in den Schulen stärker zu fördern. Im Herbst starten Bildungssenator Klaus Böger (SPD) und Frau John ein Forum über „zweisprachige Erziehung in den USA und ihre Schlussfolgerungen für Berlin“.

„Wir müssen in der Muttersprache alphabetisieren“, steht für GEW-Chef Ulrich Thöne fest. Es sei unbestritten, dass dadurch der Erwerb der Zweitsprache, also des Deutschen, erleichtert werde. Es reiche „nachweislich“ nicht aus, wenn das türkische Konsulat nachmittags etwas muttersprachlichen Ergänzungsuntericht anbiete.

Wie berichtet, fordert Ramseger eine radikale Abkehr vom bisherigen Konzept der ausschließlichen Deutsch-Alphabetisierung. Er sieht in der Unterdrückung der Muttersprache eine Ursache dafür, dass ausländische und insbesondere türkische Kinder auf einem geringen Sprachniveau in beiden Sprachen verbleiben, so dass über ein Viertel keinen Schulabschluss erreicht.

Die GEW hatte Ramseger Donnerstagabend eingeladen, um seine Thesen vorzustellen. Große Zustimmung gab es unter den Pädagogen für die stärkere Förderung der Muttersprache. Ablehnung gab es aber für Ramsegers Vorschlag, die Kinder nach Herkunftssprache zu „sortieren“ und entsprechend Schulen zuzuweisen, um bilingualen Unterricht leichter organisieren zu können.

Derartige Schwerpunktschulen für große Sprachgruppen wie Türken oder Araber hielte der Türkische Bund zwar für vertretbar. Allerdings dürfe es nicht zu einer dauerhaften Trennung von den deutschen Kindern kommen, schränkt der Vorsitzende Safter Cinar ein. Er wirft den wechselnden Schulsenatoren vor, dass sie die vorhandenen Ansätze zur zweisprachigen Alphabetisierung „kaputtgemacht“ hätten. Seit 20 Jahren habe man die Pädagogen mit den Problemen allein gelassen, so dass acht von 14 Schulen das Projekt frustriert beendet hätten. Für Barbara John steht seit langem fest, dass Kinder „selbstverständlich zunächst in ihrer Muttersprache lesen lernen müssen“, wenn sie nicht genug Deutsch können. Durchsetzen konnte sie es aber nicht. Außerdem fehle es vielen Lehrern an „Professionalität“ bei der Vermittlung von „Deutsch als Zweitsprache“. Die Ausländerbeauftragte stellte jetzt die Weichen für den Besuch der Direktorin des „Nationalen Verbandes für bilinguale Erziehung in den USA“ in Berlin. John hofft, dass durch den Erfahrungsaustausch eine fundierte Diskussion vorankommt. Auch Ramseger soll eingeladen werden. Susanne Vieth-Entus

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