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Berlin: Erst wählen, dann zahlen: Vor 2003 kein Geld für Berlin

Obwohl der Ruf nach einer zusätzlichen Finanzspritze des Bundes für Berlin lauter wird, hat der Senat bisher keine Vorbereitungen getroffen, um eine Sanierungshilfe notfalls einzuklagen. Vor der Bundestagswahl 2002 sei damit auch nicht zu rechnen, verlautet aus dem Roten Rathaus.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Obwohl der Ruf nach einer zusätzlichen Finanzspritze des Bundes für Berlin lauter wird, hat der Senat bisher keine Vorbereitungen getroffen, um eine Sanierungshilfe notfalls einzuklagen. Vor der Bundestagswahl 2002 sei damit auch nicht zu rechnen, verlautet aus dem Roten Rathaus. Die Aussichten, mit Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) schon jetzt offizielle Verhandlungen über den Finanzstatus der Hauptstadt aufnehmen zu können, wären gleich Null.

"Berlin ist nicht so schlecht dran wie beispielsweise Bremen oder das Saarland", sagte Eichel gestern im ARD-Morgenmagazin. Von einer finanziellen Notlage könne man "noch nicht" reden. Das Land Berlin müsse die Probleme, die es selbst angerichtet habe, selbst lösen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) mahnte daraufhin pflichtgemäß einen "Mentalitätswechsel" der Bundespolitik gegenüber Berlin und die Übernahme hauptstadtbedingter Mehrkosten an. Finanzsenatorin Christiane Krajewski (SPD) verwies erneut darauf, dass Berlin zunächst seine Hausaufgaben bei der Konsolidierung des Landeshaushalts machen müsse, bevor die Solidarität des Bundes und der Länder eingefordert werde. Der PDS-Politiker Gregor Gysi sah Berlin "am Rand einer Haushaltsnotlage" und forderte, "über die Frage von Bundeshilfen ernsthaft zu verhandeln".

In der Koalitionsvereinbarung für eine rot-rote Landesregierung wird sich voraussichtlich jener Passus wiederfinden, der schon im Vertragsentwurf für eine Ampel-Koalition enthalten war: "Im Hinblick auf die Haushaltskrise werden mit dem Bund Verhandlungen um einen Berlin-Pakt geführt, der zu deutlichen Entlastungen für den Berliner Haushalt führen soll. Sollten diese Verhandlungen scheitern, behält sich der Senat vor zu prüfen, ob die Voraussetzungen von Artikel 107 Grundgesetz vorliegen, um gegebenenfalls das Bundesverfassungsgericht anzurufen".

Der Artikel 107 garantiert den Finanzausgleich zwischen armen und reichen Ländern unter Einbeziehung des Bundes. Das so genannte Maßstäbegesetz, das den bundesstaalichen Finanzausgleich künftig neu regelt, stellt aber harte Anforderungen an hilfesuchende Länder. Sanierungszuschüsse werden an "strenge Auflagen und ein verbindliches Sanierungsprogramm" geknüpft. Voraussetzung für eine Finanzhilfe sind "ausreichende Eigenanstrengungen, um eine drohende Haushaltsnotlage abzuwenden oder sich aus ihr zu befreien". Es müssen Sonderlasten benannt werden, die zur Notlage führten. Finanzielle Schwächen, "die eine unmittelbare und voraussehbare Folge von politischen Entscheidungen eines Landes bilden", werden nicht anerkannt.

Um gegenüber dem Bund - und notfalls mit einer Klage vor dem dem Bundesverfassungsgericht - nicht von vornherein chancenlos zu sein, muss der Senat eine Haushaltsnotlage und die Forderung nach einer Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisung politisch und juristisch wasserdicht begründen. Die Vorbereitung einer solchen Schrift werde Monate dauern, heißt es in Senatskreisen. Einen Auftrag dafür gibt es bislang nicht. Er müsste von der künftigen SPD/PDS-Landesregierung erteilt werden. Was es gibt, sind laufende, inoffizielle Gespräche des Regierenden Bürgermeisters Wowereit und der Fianzsenatorin Krajewski mit Finanzminister Eichel, Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier und Kultur-Staatsminister Julian Nieda-Rümelin über die angespannten Finanzbeziehungen zwischen Berlin und dem Bund.

Die nächste Möglichkeit, auf das heikle Thema zu sprechen zu kommen, ist ein Treffen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) am nächsten Donnerstag. Auf der Tagesordnung steht die von Nida-Rümelin forcierte und von Berlin durchaus unterstützte Gründung einer Bundeskulturstiftung. In diesem Rahmen könnte auch die überfällige Neuordnung der Finanzierung nationaler Gedenkstätten und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz angesprochen werden. Mit wegweisenden Beschlüssen, die Berlin finanziell entlasten, ist aber nicht zu rechnen.

Ohnehin wird dem Land Berlin gern vorgehalten, dass es jetzt schon sehr viel Geld vom Bund erhält. Im Haushaltsjahr 2001 waren es mehr als 7,2 Milliarden Mark - davon 3,8 Milliarden Mark Ergänzungszuweisungen zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs, zum Ausgleich überdurchschnittlich hoher Kosten politischer Führung und zum Abbau teilungsbedingter Sonderbelastungen. Hinzu kommen - unter anderem - 1,2 Milliarden Mark Investitionshilfen im Rahmen des Programms "Aufbau Ost", 75 Millionen Mark für hauptstadtbedingte Mehraufwendungen für die innere Sicherheit, 680 Millionen Mark für die Regional- und S-Bahn, weitere 97 Millionen Mark für den Straßenbau und öffentlichen Personennahverkehr, 135 Millionen Mark zur Förderung von Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen, 20 Millionen Mark für die Hauptstadtkultur.

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