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Berlin: Erste Bewährungsprobe für Rot-Schwarz

Die Ernennung des neuen Polizeipräsidenten verärgert die CDU. Jetzt wird auch über die Besetzung des Innenressorts spekuliert

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Innensenator Ehrhart Körting (beide SPD) haben ihren Wunschkandidaten für das Amt des Polizeipräsidenten durchgesetzt – und möglicherweise den künftigen Koalitionspartner düpiert. Ziemlich kühl und relativ wortkarg reagierte CDU-Partei- und Fraktionschef Frank Henkel auf den gestrigen Beschluss des Senats, den ehemaligen Bundesgrenzschützer Udo Hansen zum neuen Polizeipräsidenten zu ernennen. Es sei eine „Entscheidung nicht in unserem Sinne“, eine Entscheidung, „die wir für falsch halten. Das wird in die Verhandlungen einfließen“, sagte Henkel. „Hansen wäre ein Polizeipräsident auf Bewährung.“

Unklar ist, wie weit die Union vor der Senatsentscheidung informiert worden ist. Vor der Wahl hatte die Oppositionspartei CDU gefordert, das Ausschreibungsverfahren neu aufzurollen. Henkel kritisierte damals, dass der Innensenator in dieser Frage „unbeirrbar mit dem Kopf durch die Wand“ wolle.

Bei den Sozialdemokraten scheint man aber jetzt nicht mit großer Verärgerung und schwerwiegenden Problemen zu rechnen, falls sich die Union bei dieser wichtigen Personalie übergangen fühlt. „Die Presseerklärung der CDU lochen wir und heften sie ab“, hatte eine SPD-Abgeordnete am Mittag angekündigt. Einen Wutausbruch des künftigen Koalitionspartners erwarte man nicht. So ärgerte sich zwar ein Abgeordneter („Frechheit“), dieser wollte sich damit aber nicht zitieren lassen.

Offiziell wollten sich gestern weder Senatssprecher Richard Meng noch Körtings Verwaltung zu Hansen äußern. Sie gaben lediglich bekannt, dass es einen Senatsbeschluss gebe, einen Namen nannte man nicht. Dieser werde erst am heutigen Mittwoch bekannt gegeben, denn zuvor sollten Hansen und der unterlegene Kandidat, der Berliner Direktionsleiter Klaus Keese, von der Entscheidung informiert werden. Dass die Wahl auf Hansen fiel, wird aber von mehreren Quellen bestätigt. In zwei Wochen – nach Ende der festgesetzten Widerspruchsfrist – soll der neue Polizeipräsident voraussichtlich seine Ernennungsurkunde erhalten.

In der SPD verwies man gestern darauf, dass die CDU in den ersten Gesprächsrunden  an dieser Frage kein großes Interesse hatte. In der ersten Verhandlungsrunde über innere Sicherheit habe die Union  das Thema „PolPräs“ nicht mit einem Wort angesprochen, bestätigten beide Seiten.

Trotzdem wird Berlins neuer Polizeichef voraussichtlich mit einem obersten Dienstherrn leben müssen, der Christdemokrat ist. Die Gerüchte, dass der künftige Koalitionspartner der SPD freiwillig auf das Innenressort im Senat verzichten wolle, hätten nichts mit den innerparteilichen Diskussionen in der Union zu tun, hieß es in Berliner CDU-Kreisen. Und sollte die CDU den Innensenator stellen, hätte der Landes- und Fraktionschef Frank Henkel den ersten Zugriff auf das Amt. Allerdings hat die Berliner CDU auch in der Vergangenheit mehrfach ihre Innensenatoren von außerhalb geholt: zuletzt Jörg Schönbohm und Eckart Werthebach in den neunziger Jahren.

Sollte das Amt wider Erwarten doch bei der SPD bleiben, ist damit zu rechnen, dass Ehrhart Körting keine volle Amtszeit Innensenator bleibt.

Im Präsidium am Platz der Luftbrücke machte sich Enttäuschung breit. In den letzten Monaten nach dem Ausscheiden von Dieter Glietsch habe Vizepräsidentin Margarete Koppers so gute Arbeit geleistet, dass sich viele Führungskräfte eine Fortsetzung dieses neuen Schwunges wünschten. Udo Hansen kenne dagegen kaum einer persönlich; der seit Monaten anhaltende Streit um seine Person sei eine große Belastung für einen Neustart.

Der Berliner Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Purper, zeigte sich ausgesprochen verwundert darüber, dass noch der alte rot-rote Senat die Personalentscheidung getroffen hat. Es stehe doch bisher gar nicht fest, wer der nächste Innensenator werde. Die jetzige Benennung Hansens könne eventuell ein Signal dafür sein, dass Körting doch noch weiter im Amt bleibt, aber sicher sei dies nicht, sagte Purper. Zur Personalie an sich wollte sich der GdP-Chef nicht äußern: „Wir geben auch einem neuen Polizeipräsidenten die 100-Tage-Frist.“ Prinzipiell aber ist es laut Purper richtig, dass der Posten nach der mehrmonatigen Vakanz jetzt schnell wieder besetzt wird. Das Amt habe dadurch schon genügend Schaden genommen.

Dieser Meinung ist auch Bodo Pfalzgraf, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Diese Besetzungsarie war schon sehr bedauerlich.“ Jetzt müsse ein neuer Polizeipräsident mit Volldampf an die Arbeit gehen können.

Grünen-Fraktionsvorsitzender Volker Ratzmann spricht von einer Geste der Alleinherrschaft Wowereits, der freischwebend zwischen alter und neuer Koalition Hansen zum Polizeichef gemacht habe. Wowereit stelle „mit seiner Friss-oder- stirb-Taktik nicht nur die CDU vor vollendete Tatsachen, sondern schließt auch das Parlament bei der Entscheidung dieser wichtigen Personalie aus“. Es sei ohnehin fraglich, ob die Ernennung einer erneuten gerichtlichen Überprüfung standhält.

Udo Wolf, Fraktionschef des Noch-Koalitionspartners Linke, warf der SPD vor, die Personalie durchgezockt zu haben. Die Senatoren der Linken hätten gegen ihn gestimmt, da Hansen aus ihrer Sicht „nicht geeignet für das Amt“ sei. „Nach allem, was uns über seine früheren Tätigkeiten bekannt ist, ist seine Person mit dem Berliner Leitbild einer modernen und bürgernahen Großstadtpolizei nicht vereinbar“, sagt Wolf.

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