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Vorboten. Parkverbotsschilder und Plakate weisen in Kreuzberg auf die kommenden Ereignisse hin. Die Anwohner sind’s gewohnt – und nehmen es gelassen.

© Thilo Rückeis

Walpurgisnacht und 1. Mai: Gespannte Ruhe vor den lauten Nächten

Noch nie gab sich die linke Szene vor dem 1. Mai so verhalten. Trotzdem steht die Polizei am Wochenende mit 6000 Beamten bereit.

In Kreuzberg und Friedrichshain keimt Hoffnung – auf einen friedlichen 1. Mai. Seit Jahren gab es so wenig Mobilisierung in der linken Szene und so wenig Diskussionen im Vorfeld. Der Anmelder der Autonomendemo ist kompromissbereit, die Stalinisten habe ihren Aufzug ganz abgesagt. „Gefühlte Ruhe“ meldet der grüne Bürgermeister von Kreuzberg-Friedrichshain kurz vor Walpurgisnacht und Mai-Festspielen. „Die Lage hat sich etwas beruhigt“, sagt Franz Schulz.

Viele Geschäftsleute, vor allem Banken, haben dennoch vorgesorgt. Die Fenster des Lidl-Markts am Oranienplatz waren bereits am Freitag mit Sperrholzplatten geschützt und auch entlang der Oranienstraße ließen viele Geschäfte bereits die Sicherheitsgitter herunter. „Wir hoffen dieses Jahr zwar auf eine ruhigere Nacht“, sagt eine Ladenbesitzerin, „aber mein Auto parke ich trotzdem um.“

Relativ ruhig ist die Lage auch bei der Polizei. Über 6000 Beamte werden am Wochenende im Einsatz sein. Gespannt sind die Sicherheitsbehörden lediglich, weil es erstmals seit Jahren wieder einen Protestzug bereits am 30. April geben wird. Die Demonstration linker Gruppen soll gegen 17 Uhr am Rosenthaler Platz in Mitte starten und vorbei an zahlreichen umstrittenen Neubau-Wohnquartieren nach Prenzlauer Berg führen. 800 Teilnehmer wollen unter dem Motto „Wir bleiben alle“ gegen Mietsteigerungen und die Verdrängung linker Projekte protestieren. Die eigentliche Walpurgisnacht wird dann wieder in Friedrichshain gefeiert. Da der Boxhagener Platz durch den Wochenmarkt belegt ist, wurde das autonome Punkkonzert unter Protest der Szene auf den nahe gelegenen Wismarplatz verlegt. Zwischen beiden Plätzen gilt ein Flaschenverbot.

Selbst die Veranstalter der berüchtigten „Revolutionären 1. Mai Demo“ – auch 18-Uhr-Demo genannt – gibt sich in diesem Jahr kooperativ, hieß es im Polizeipräsidium. So habe der neue Anmelder, der Strausberger Rechtsanwalt Dieter Elken, die Forderung der Polizei akzeptiert, an der Kottbusser Brücke zu starten und nicht am Kottbusser Tor. Wie berichtet, wollte die Polizei möglichst großen Abstand zum Myfest. Unklar bleibt, wie die gewaltbereiten Autonomen auf den ungewohnten Zielort Südstern reagieren, der weit ab vom linken Kerngebiet liegt. Szenekundige Beamte erwarten, dass sich mehrere hundert Autonome ab 16 Uhr auf dem Mariannenplatz sammeln werden, also innerhalb des Festgeländes. In den vergangenen Tagen haben Kriminalbeamte über 80 Personen, die durch linke Straftaten aufgefallen waren, zu so genannten Gefährderansprachen aufgesucht.

Neu in der Polizeitaktik ist die verschärfte Überwachung der Demo aus der Luft. Zivilpolizisten überprüfen derzeit alle Dächer an den Demorouten auf Steindepots, auch der Einsatz von Polizeihubschraubern soll verstärkt werden. Die linke Szene warnte gestern auf einschlägigen Internetseiten vor der „massiven Präsenz der Bullen“. Zudem würden auf vielen Dächern Kameras installiert, hieß es. Dies dementierte die Polizei. Nach einem Gerichtsurteil dürfen nicht mehr ohne Anlass Überblicksaufnahmen gefertigt werden. Das „Komitee für Grundrechte und Demokratie“ kündigte an, Polizeibeamte im Einsatz zu beobachten und „ungerechtfertigte polizeiliche Übergriffe“ zu dokumentieren. Am Freitag wurde durch einen Bericht der „taz“ bekannt, dass ein Polizist, der im Vorjahr bei der 18-Uhr-Demo einen jungen Mann durch einen Fußtritt verletzt hatte, bereits im Herbst zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden ist. Einen öffentlichen Prozess hatte es nicht gegeben. (mit ses)

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