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Berlin: Erwischt auf offener Straße

Der Zoll kontrollierte 296 Paket- und Kurierfahrer – und kam 31 Schwarzarbeitern auf die Spur

Grüne Streifenwagen mit Blaulicht müssen nicht von der Polizei sein. Der Zoll hat gleiche Autos; mit der Aufschrift: www.zoll-stoppt-schwarzarbeit.de. Das erfuhren am gestrigen Dienstag 296 Fahrer von Kurier- und Paketdiensten bei einer berlinweiten Razzia. Bei 31 ergab sich der Verdacht: Schwarzarbeit. Denn die Männer kassieren derzeit Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld. Der Zoll kontrollierte diese Branche, in der Schwarzarbeit besonders verbreitet ist, in einer bundesweiten Großaktion. Frühmorgens baute er sich vor den Zufahrten der großen Kurierdienste auf, danach richtete er Kontrollstellen an Hauptstraßen ein. Dort wurden dann Liefer- und Lastwagen gestoppt.

So auch der 7,5-Tonner von Murad E. (Name geändert). Um neun Uhr muss der junge Mann an der Heerstraße in Spandau den Motor seines Lasters abstellen – und gibt sich unwillig. Ja, er beziehe Sozialhilfe. Nein, Scheiben des Fahrtenschreibers von den Vortagen habe er keine dabei. Doch die Zollbeamten stöbern ein wenig im Handschuhfach – und siehe da, es findet sich ein ganzes Bündel Scheiben: An sechs Tagen der Vorwoche fuhr der Berliner jeweils acht Stunden lang Pakete aus – erlaubt sind für Sozialhilfeempfänger nur 15 Stunden in der Woche. Anders gesagt: Der Mann hat schwarz gearbeitet. Er wird zu einem VW-Bus geführt, ohne seinen Anwalt will er nichts weiter sagen. Ihn erwartet eine Strafanzeige – und auch sein Arbeitgeber wird sich unangenehme Fragen gefallen lassen müssen.

Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist der Zoll alleine für die Bekämpfung der Schwarzarbeit zuständig. Viele der Zollbeamten in Uniform, die gestern Morgen an der Heerstraße in Spandau und mehreren anderen Stellen die Kontrollen aufgebaut haben, arbeiteten bislang bei den Arbeitsämtern. Nun haben sie Befugnisse wie die Polizei, können also das Wageninnere eines gestoppten Fahrzeugs durchsuchen. Bei Murad E. hatten die Beamten Glück, die Scheiben mit seinen Lenkzeiten sind ein guter Beweis. In der Regel hören die Zollbeamten die Ausrede: „Ich mach’ das doch nur ein paar Stunden am Tag.“ Nach derartigen Kontrollen auf der Straße oder auf Baustellen folgt deshalb die Überprüfung der Papiere beim Arbeitgeber. „Da werden zu den 31 Verdächtigen noch einige hinzu kommen“, sagte ein Ermittler des Zolls gestern. Empfänger von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe dürfen nur 15 Stunden pro Woche einer „geringfügigen Beschäftigung“ nachgehen, wenn diese angemeldet ist. Lohnend ist Schwarzarbeit für beide Seiten: Für Arbeitnehmer, weil sie parallel noch Unterstützung vom Staat bekommen. Und der Arbeitgeber freut sich, dass er nur einen Minilohn zahlen muss.

Ab August kommen weitere 2000 Mitarbeiter der Arbeitsämter zum Zoll, dann jagen 7000 Zöllner Schwarzarbeiter. Die Zahl der Kontrollen soll deshalb in diesem Jahr stark gesteigert werden, sagte Michael Kulus vom Berliner Hauptzollamt gestern. In Zukunft sollen Berliner täglich Zollbeamte bei der Kontrollen sehen können. Den Werbeaufdruck auf den Streifenwagen „zoll-stoppt-schwarzarbeit“ habe sich übrigens das Finanzministerium gewünscht.

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