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Berlin: Erzbistum steht vor der Pleite

Jahrelang hat die katholische Kirche über ihre Verhältnisse gelebt und Löcher mit Krediten gestopft. Jetzt muss Personal entlassen werden

Das Erzbistum Berlin ist in eine schwere finanzielle Schieflage geraten und muss wahrscheinlich einen Teil seiner rund 2800 Mitarbeiter entlassen. Wie Generalvikar Peter Wehr dem Tagesspiegel bestätigte, werde man „perspektivisch mit weniger Personal arbeiten müssen“. Das Erzbistum habe finanziell über seine Verhältnisse gelebt und müsse nun dafür sorgen, dass es in Zukunft handlungsfähig bleibt. Auch bei der Caritas des Bistums, die weitere 2800 Menschen beschäftigt, sind wohl Kündigungen unvermeidlich.

Ursache der heutigen Finanzkrise ist die Entscheidung der Bistumsleitung, seit Mitte der neunziger Jahre Haushaltslücken durch Kredite zu schließen. Mittlerweile beläuft sich die Verschuldung des Erzbistums auf etwa 75 Millionen Euro – ein in der katholischen Kirche Deutschlands einmaliger Vorgang. Statt wie die evangelische Kirche von Berlin-Brandenburg auf zurückgehende Einnahmen mit einem drastischen Sparkurs zu reagieren, entschied sich der zuständige Diözesanverwaltungsrat, den Weg in die Verschuldung zu wählen. Dem siebenköpfigen Gremium gehören neben Kardinal Georg Sterzinsky der Generalvikar und sein Stellvertreter, der Finanzdezernent sowie drei weitere Fachleute an.

Parallel dazu hat die Leitung des Erzbistums in den zurückliegenden Jahren versucht, die Zunahme der Verschuldung durch einen strikten Stellenstopp, durch eine Kürzung der Sachmittel und eine Reduzierung des Bauetats in den Griff zu bekommen – jedoch ohne Erfolg. Auch wurde nach Angaben von Generalvikar Wehr mittlerweile praktisch der gesamte Immobilienbesitz verkauft, um Haushaltslöcher zu stopfen: „Heute ist nichts mehr da, was man verkaufen kann“, sagte der Geistliche, der seit gut einem Jahr das oberste Verwaltungsamt des Erzbistums innehat. In besseren Jahren wurden keine Rücklagen gebildet. Da die Bistumsleitung mit einer Sanierung aus eigener Kraft gescheitert ist, soll nun die Wirtschaftsberatungsfirma McKinsey alle katholischen Einrichtungen unter die Lupe nehmen und einen Sanierungsplan ausarbeiten. Ziel ist es nach Angaben des Generalvikars, eine Überschuldung des Bistums abzuwenden. „Wir müssen jetzt richtig ran“, erklärte er.

Nach seinen Angaben sind bislang noch keine Entscheidungen gefallen, von welchen Tätigkeitsfeldern sich die katholische Kirche komplett trennen will und in welchen Sparten es zu Kündigungen kommen wird. Dazu wolle man erst den Befund von McKinsey abwarten, der in der ersten Jahreshälfte 2003 vorliegen wird, hieß es.

Es gilt allerdings unter Beobachtern als sicher, dass in den Schulen und beim Religionsunterricht, bei der Caritas sowie bei den Bildungshäusern, bei der Kirchenzeitung und in den Gemeinden harte Einschnitte erfolgen müssen. In fast allen diesen Bereichen, versichern Insider, ist das Erzbistum Berlin, dem insgesamt 382000 Katholiken angehören, im Vergleich zu anderen Bistümern „personell sehr gut ausgestattet“. Zusätzlich sollen Kirchengebäude, die einen sehr hohen Reparaturbedarf haben, stillgelegt und abgerissen werden.

Die Deutsche Bischofskonferenz, die auf ihrer Herbsttagung über die Finanzkrise des Berliner Erzbistums diskutiert hat, betrachtet die Entwicklung mit großer Sorge. Mit fremdem Beistand ist nicht unbedingt zu rechnen: In den meisten Bistümern sind die Einnahmen ebenfalls rückläufig, so dass die Bereitschaft der anderen Oberhirten, Kardinal Sterzinsky aus der Klemme zu helfen, gering ist.

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