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Berlin: „Es bleibt beim Ethikunterricht für alle“

Klaus Wowereit spricht mit den Kirchen, aber nicht mit Verdi. Eine Senatsumbildung plant er nicht

Herr Wowereit, was haben Sie aus Peking mitgebracht? Welche Tipps haben Ihnen die Chinesen für die Leichtathletik-WM 2009 in Berlin mitgegeben?

Unsere Experten haben sich den technischen Ablauf der Spiele genau angeschaut. Mein persönlicher Eindruck ist, dass die Organisation und Abläufe der Olympischen Spiele deutlich besser waren als die der Leichtathletik-WM im japanischen Osaka. Dort gab es zeitliche Leerläufe. Die Attraktivität der Leichtathletik-WM in Berlin wird auch dadurch gesteigert, dass die Marathon- und Geherwettbewerbe außerhalb des Stadions ausgetragen werden. Das Ziel wird nicht das Olympiastadion sein, sondern das Brandenburger Tor.

Haben Sie in China, wo Tischtennis Volkssport ist, für die Ausrichtung der Tischtennis-WM geworben? Berlin will sich ja für 2012 bewerben.

Natürlich haben am Rande der Spiele Gespräche über künftige internationale Sportfeste stattgefunden. Wir wollen ja nach und nach weitere Großereignisse nach Berlin holen. Zum Beispiel die World Master Games für das Jahr 2013. Das sind so etwas wie Olympische Spiele für über 40-Jährige, die 2009 in Sydney mit 35 000 Teilnehmern stattfinden. Aber sicher ist das noch nicht.

Und was ist mit Olympia in Berlin?

Wenn der deutsche Sport es will, steht Berlin auch in näherer Zukunft bereit, sich wieder für die Olympischen Spiele zu bewerben.

Vorerst machen – kaum gehen die Sommerferien zu Ende – die Berliner wieder Ärger. Ein Volksbegehren jagt das nächste: Ist das nicht lästig?

Es ist gewollt, dass sich die Bürger einbringen, auch wenn mit dem Instrument des Volksbegehrens noch Erfahrungen gesammelt werden müssen. Der Senat empfindet das nicht als lästig, sondern als wichtig im Sinne von Partizipation. Aber auch die Bürger müssen lernen, was in der Verfassung steht: Nicht jedes Volksbegehren kann zum Erfolg führen, manche können nur empfehlenden Charakter haben, andere sind unzulässig. Wir sind in einem gegenseitigen Lernprozess. Das muss ausgetragen werden, ohne dass beide Seiten voneinander genervt sind. In gegenseitiger Akzeptanz.

Bisher haben Volksbegehren in Berlin den Initiatoren wenig Erfolg beschert. Führt das nicht eher zur Politikverdrossenheit als zu einer aktiven Bürgerbeteiligung?

Das gehört zum Lernprozess: Wenn Menschen sich an einem Volksbegehren beteiligen, gibt es keine Garantie, dass das Quorum erreicht wird. Fehlende Mehrheiten müssen eben akzeptiert werden. Selbst wenn ein Volksbegehren mit Empfehlungscharakter erfolgreich ist, bleibt es in der Verantwortung des Senats, zu entscheiden, ob er ihm stattgibt. Das ist in der Verfassung so vorgesehen. Das Volksbegehren ist ein ernsthaftes Instrumentarium, hat aber seine Grenzen und wirft neue Fragen auf: Hat der Senat eigentlich genügend materielle Möglichkeiten, seine Haltung öffentlich zu präsentieren, wenn Initiatoren eines Volksbegehrens Millionen Euro für ihre Kampagne ausgeben – ohne die Herkunft des Geldes offenzulegen?

Sie wollen Volksbegehren künftig wie einen Wahlkampf führen?

Das war ja auf der Gegenseite so, als es um Tempelhof ging. Wir konnten reagieren, aber mit gleichem Werbeaufwand gegenhalten konnten wir nicht. Und wer sagt denn, dass nicht mal wieder finanzkräftige Investoren kommen, die ein Volksbegehrens massiv unterstützen?

Im September startet ein Plebiszit gegen den Ethikunterricht. Sehen Sie Chancen für einen Kompromiss mit den Kirchen?

Wir haben nach der nächsten Senatssitzung ein Treffen mit der Evangelischen Kirche. Wir sprechen also miteinander, haben aber in diesem Punkt einen Dissens. Es kann auch nicht die Aufgabe der Regierung sein, Kompromisse anzubieten, um laufende Volksbegehren zu verhindern. Das wäre ja fast wie auf einem Basar, wo man um den Preis feilscht. Es geht immer um Inhalte und Mehrheiten, um die geworben wird. Wir haben eine Regelung, die es den Kirchen ermöglicht, staatlich finanzierten Religionsunterricht an den Schulen anzubieten. Ich sehe keinen Anlass, diese Regelung zu verändern. Wir wollen, dass Religionsunterricht an den Schulen angeboten wird, aber wie bisher auf freiwilliger Basis. Daneben gibt es das Fach Ethik für alle.

Ein anderes Problem, das der Senat hat, ist der Dauerstreik im öffentlichen Dienst.

Da habe ich kein Problem und auch nicht den Eindruck, dass die gewerkschaftliche Mobilisierung besonders stark ist.

Was heißt das? Wird weiterverhandelt, oder bleibt es bei den einseitig gewährten Einmalzahlungen bis 2010?

Verdi hat die Verhandlungen für gescheitert erklärt. Der Senat hat die Konsequenzen daraus gezogen: Für die Beamten wird es zwei Einmalzahlungen von je 300 Euro geben. Als freiwillige Leistung. Darüber hinaus gibt es keinen Verhandlungsspielraum – erst wieder für die Zeit nach 2009, wenn der Solidarpakt für den öffentlichen Dienst ausläuft.

Das sieht die Linke anders.

Der Koalitionspartner hat die Einmalzahlungen gemeinsam mit der SPD im Senat beschlossen. Die Tarifrunde ist damit beendet.

Also: basta.

Nicht ich habe basta gesagt, sondern Verdi – mit dem Abbruch der Verhandlungen. Wir hatten Verhandlungspartner, die offenbar nicht mehr verhandlungsfähig waren.

In zwei Monaten schließt der Flughafen Tempelhof. Warum richtet der Senat kein Abschiedsfest für die Berliner aus?

Die Debatte um Tempelhof ist so geführt worden, dass es jetzt weder bei den Schließungsgegnern noch bei den Befürwortern eine Jubelstimmung gibt. Die Flughafengesellschaft wird den Abschied würdig begehen. Im Frühjahr lassen sich dann Veranstaltungstage organisieren, bei denen sich die Berliner das Gelände anschauen können.

Berlin will die Bundesanteile am Tempelhofer Feld kaufen, warum verzögern sich die Verhandlungen?

Ob und wann wir zu einem Ergebnis kommen, kann ich heute nicht sagen. Noch fehlt die Grundlage – das Verkehrswertgutachten. Und wenn sich Berlin und der Bund ums Geld streiten, ist es nie einfach, zu einem Ergebnis zu kommen. Es wäre gut, wenn Berlin Eigentümer des Tempelhofer Feldes würde, und ich habe auch den Eindruck, dass der Bund es übertragen will. Aber es gibt bei den Preisvorstellungen erhebliche Unterschiede. Unserer Meinung nach erfordert das Grundstück so viele Investitionen, dass ein Kaufpreis in mehrfacher Millionenhöhe nicht angemessen wäre.

Wenn wir schon beim lieben Geld sind. Für die Finanzierung des Großflughafens BBI gibt es Bürgschaftserklärungen der Gesellschafter Berlin, Brandenburg und Bund, aber noch keine gesicherte Bankenfinanzierung. Ist das nicht beunruhigend?

Um die Finanzierung des Flughafens mache ich mir die wenigsten Sorgen. Wir sind weiterhin im Kostenrahmen – und auch im Zeitrahmen. Mit den Banken wird verhandelt, und wir werden das Ergebnis nach Klärung der europarechtlichen Fragen öffentlich mitteilen. Durch die 100-prozentige Bürgschaft der öffentlichen Hand werden sich die Kreditkonditionen wesentlich verbessern.

Die Lufthansa hat sich beschwert, dass BBI bei der Eröffnung zu klein sein wird…

… so ändern sich die Zeiten. Bisher wurde dem Senat Gigantomanie vorgeworfen, wenn wir von 40 Millionen Flugpassagieren jährlich sprachen. Ich freue mich, dass die Lufthansa endlich Interesse zeigt am Großflughafen. Wir haben im Aufsichtsrat und Projektausschuss mehrmals die Frage diskutiert, ob es sinnvoll ist, für die Erweiterung von BBI durch sogenannte Satelliten vorab eine Tunnelanbindung zu schaffen. Wir sind aber zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kosten dafür jetzt zu hoch wären.

Das sieht die Lufthansa anders.

Deren Kostenrechnung ist aber nicht richtig. Ein Tunnel kann auch später gebaut werden, ohne den Flughafenbetrieb zu beeinträchtigen, oder es wird ein sehr viel preisgünstigerer Skywalk errichtet.

Was wird eigentlich aus Tegel? Es sind nur noch dreieinhalb Jahre, bis der zweite Stadtflughafen geschlossen wird.

Auch das ist ein riesiges Areal und nur sehr langfristig zu entwickeln. Die Stadtentwicklungsverwaltung ist dabei, Pläne für Tegel vorzubereiten, aber der Schwerpunkt wird zunächst auf der Nachnutzung Tempelhofs liegen. Wir wollen nicht wieder in die Situation kommen, dass an allen Ecken und Enden der Stadt neue Entwicklungsgebiete begründet werden – und sich anschließend gegenseitig Konkurrenz machten.

Tegel wird also eingemottet?

Das ist viel zu pauschal gefragt. Ich will den Plänen der Fachverwaltung auch nicht vorgreifen.

Noch eine strategisch interessante Frage: Was wird aus Finanzsenator Thilo Sarrazin, verlässt er 2009 den Senat?

Thilo Sarrazin ist im Urlaub, und ich gehe davon aus, dass er zurückkommt.

Davon gehen wir alle aus. Aber bleibt er auch bis 2011 Finanzsenator?

Herr Sarrazin ist, wie alle anderen Senatsmitglieder, für diese Legislaturperiode angetreten. Veränderungen dieser Sachlage sind mir nicht bekannt.

Trotzdem halten sich Gerüchte über eine Senatsumbildung im kommenden Jahr.

Ich habe gelernt, dass ich mir über solche Fragen keine Gedanken machen muss, weil dies der Tagesspiegel bereits tut: Kabinettslisten zusammenstellt und sich über meine Zukunft Gedanken macht.

Dürfen wir festhalten, dass Sie eine Kabinettsumbildung zurzeit nicht planen?

Nicht nur zurzeit. Ich plane keine Kabinettsumbildung.

Wie geht die rot-rote Koalition in den politischen Herbst? Die Linke präsentiert sich gegenüber der SPD sehr selbstbewusst.

Es ist doch klar, dass der Bundestagswahlkampf, der sich langsam nähert, auch die Landespolitik nicht verschont. Dadurch gibt es Nervositäten und Profilierungsversuche. Beide Koalitionspartner, auch meine Partei, sollten da gelassen bleiben. Wir haben bisher vertrauensvoll zusammengearbeitet, die Stimmung ist gut und ich gehe davon aus, dass dies über 2009 hinaus so bleibt. Notfalls muss man deutlich machen, wo die Grenzen sind.

Sie lassen sich, auch von der Linken, also nicht alles gefallen?

Das ist, glaube ich, stadtbekannt.

Bildungssenator Jürgen Zöllner schließt die Verbeamtung junger Lehrer in Berlin nicht mehr aus und bekommt dafür Rückendeckung aus der SPD. Was sagt der Regierende Bürgermeister dazu?

Zwischen den Ländern hat ein harter Konkurrenzkampf um neue Lehrer begonnen. Auf diese Situation muss sich auch Berlin vorbereiten. Dabei spielt der Beamtenstatus – als lebenslange Sicherheit –, aber vor allem die Bezahlung eine wichtige Rolle. Trotzdem sehen der Bildungssenator und ich derzeit überhaupt keinen Anlass, an der Grundsatzentscheidung des Senats zu rütteln, neue Lehrer nur im Angestelltenverhältnis einzustellen. Es gibt ja auch andere Möglichkeiten, frisch ausgebildete Lehrer in Berlin zu halten. Wenn der Solidarpakt mit seinen Arbeitszeit- und Gehaltskürzungen 2010 ausläuft, ergibt sich bei der Besoldung eh eine verbesserte Situation.

Das Gespräch führten Sabine Beikler und Ulrich Zawatka-Gerlach.

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