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Berlin: Es funkt auf allen Antennen

Hauptsache digital – die Funkausstellung zwischen Volksnähe und Fachchinesisch

This is… Entschuldigung. Dies ist ein Bericht über eine Welt, die sich mit deutscher Zunge nur noch unvollkommen beschreiben lässt, weil ihr einfach die Worte fehlen. Wer also die Essenz der Internationalen Funkausstellung zu erfassen versucht, kommt beispielsweise um das Wort „wireless“ nicht herum. Es bedeutet zwar nichts anderes als das deutsche Wort „kabellos“ – aber das scheint ebenso ausgestorben zu sein wie die Kabel selbst, die noch vor wenigen Jahren die Lebensnerven der modernen Konsumelektronik waren. Es wird gefunkt auf allen Antennen, alles hängt durch die Luft mit allem zusammen, und die Hersteller lassen kaltherzig durchblicken, dass sie an Kunden über 20 sowieso nicht mehr interessiert sind. „High Speed Access for Online Gamer“ verspricht beispielsweise die Telekom in einer unbekannten, vage ans Englische angelehnten Sprache: Dies ist die Zukunft, vor der unsere Eltern uns immer gewarnt haben.

Immerhin: Es gibt durchaus auch noch verständliche Produkte, Flachbildschirme zum Beispiel, hinter denen man, wie eine erleichterte Besucherin feststellt, viel besser Staub wischen kann als hinter der alten Glotze. Kein Wunder, dass Wolfgang Clement und Klaus Wowereit beim Rundgang an einem solchen Gerät stehen bleiben; ja, sagt der Wirtschaftsminister, so ein Ding hätte er gern. Kaum vorstellbar, dass er sich ähnlich begeistert über die komplett undurchschaubaren Möglichkeiten des „Digital Imaging“ oder „Digital Editing“ äußern würde. Digital, das lernt der Besucher immerhin, ist identisch mit modern, analog dagegen ist Großmutterkram, außer, es geht um die unbezahlbaren Plattendreher der High-End-Szene.

Bei vielen dieser so klug ersonnenen Produkte bleibt allerdings offen, ob die Gesellschaft ihren Gebrauch ertragen kann. Gewiss: Wer die Wohnung mit einem „Multiroomsystem“ derart verstrippt, dass ihn seine Lieblingsmusik vom Gästeklo über die Sonnenbank bis in die Speisekammer verfolgt, mag das mit sich selbst ausmachen. Aber was passiert, wenn er die selbst gesungene Karaoke-Version von „My Way“ als Handy-Klingelton speichert und mit ihr sein Büro quält? Viele Kunden haben ja begriffen, dass der Einsatz von Basslautsprechern in Kühlschrankgröße Ärger bringt im Plattenbau – doch ist es besser, dass sie die Dinger nun ins Auto einbauen und damit Passanten erschrecken? Nutzen wir die Technik lieber für etwas Ruhiges und hängen den Bildschirm an die Wand. Verbunden mit einem DVD-Recorder können wir dann im Minuten-Wechsel die Hauptwerke Van Goghs zeigen und brauchen nicht mal Beleuchtung.

Digital und drahtlos. Manche Aussteller erzielen provozierende, ja fast obszöne Effekte dadurch, dass sie irgendetwas ganz Unelektronisches ausstellen, etwa der Berliner Hersteller MBL, der die Pianistin Chie Ishi am Flügel auftreten lässt. Dolle Sache, sagen Besucher und suchen an Pianistin und Flügel nach Sendern, die den Aufwand doch erst legitimieren würden. Aber da sind keine. Dafür hat bei der Telekom die Moderatorin gleich zwei Sender am Gürtel; zu verstehen ist sie trotzdem schlecht. Möglich, dass auch das am zu hohen Alter des Reporters liegt.

Weitere Informationen im Internet unter www.ifa-berlin.de oder Telefon 3038 5555

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