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Berlin: "Es geht um die Glaubwürdigkeit Berlins" (Interview)

Ingolf Hertel und Rolf Scharwächter über die Folgen für den Wissenschaftspark AdlershofIngolf Hertel (59) war seit dem Oktober 1998 bis zur Neubildung des Berliner Senats Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Der gelernte Physiker ist seit 1992 Direktor des Max-Born-Instituts und ist Sprecher der außeruniversitären Forschungsinstitute in Adlershof.

Ingolf Hertel und Rolf Scharwächter über die Folgen für den Wissenschaftspark Adlershof

Ingolf Hertel (59) war seit dem Oktober 1998 bis zur Neubildung des Berliner Senats Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Der gelernte Physiker ist seit 1992 Direktor des Max-Born-Instituts und ist Sprecher der außeruniversitären Forschungsinstitute in Adlershof. Von 1995 bis 1998 war er Präsident der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz, in der die Institute der "Blauen Liste" vereinigt sind.

Der Wissenschaftsrat hat Berlin zwei Empfehlungen gegeben: 1. Wenn die Stadt als Wissenschaftsstandort eine Rolle spielen will, darf sie nicht unter die Grenze von 85 000 Studienplätzen gehen. 2. Die Gründung von Wissenschaftsparks in Adlershof und Buch ist strategisch richtig, um neue Arbeitsplätze zu fördern. Verlieren jetzt der Berliner Senat und das Abgeordnetenhaus diese Grundsätze wegen neuer Sparzwänge aus den Augen?

Hertel: Ich äußere mich als Sprecher der zwölf außeruniversitären Forschungsinstitute in Adlershof, die von Bund und Ländern finanziert werden und die bisher gemeinsam mit den Unternehmen das Rückgrat des Standortes ausmachen. Der Standort basiert auf drei Fundamenten: den Forschungsinstituten, den Unternehmen und der Humboldt-Universität. Berlin kann nicht mehr unter die Grenze von 85 000 Studienplätzen gehen, weil die Stadt sonst absolut unglaubwürdig würde, sollte sie jedes Jahr die Planzahlen nach unten korrigieren. Nun sieht die Koalitionsvereinbarung in ihrem Prosatext vor: Die 85 000 Studienplätze werden erhalten, die Prioritäten für Adlershof bleiben in der Wissenschafts- und Technologiepolitik gewahrt. Verbal ist das eindeutig. Allerdings sind die Aussagen völlig widersprüchlich, weil die Haushaltszahlen, die in einem ganz mageren Anhang genannt werden, im Grunde sagen: Wir können uns das alles nicht leisten.

Scharwächter: Als Generalbevollmächtigter für Adlershof gehe ich davon aus, dass die Koaltionsvereinbarung für die Legislaturperiode bis 2004 gilt. Darin steht, dass die Entwicklung von Adlershof Priorität hat und dass die Ausbauplanung für die naturwissenschaftlichen Fächer der Humboldt-Universität in Adlershof konsequent weiter verfolgt wird. Was zur Zeit in der Öffentlichkeit geschieht, ist zunächst einmal eine Diskussion über Einsparungen, die dem Investitionsklima in Adlershof nicht zuträglich ist. Ich kann nicht erkennen, dass das einen Einfluss auf die Realisierung der Koalitionsvereinbarung haben soll.

Koalitionsvereinbarungen sind das eine, Haushaltsberatungen das andere. Die Koalitionspolitiker müssen eine Umlage von 500 Millionen Mark an einzusparenden Geldern den Ressorts abverlangen, und im nächsten Jahr wird die Umlage 850 Millionen Mark betragen. Von der Einsparung sind die Investitionen im Hochschulbau betroffen: Hier sollen 63 Millionen Mark gestrichen werden. Das hätte nicht nur Bauverzögerungen, sondern einen Stopp von Neubauten zur Folge. Was bedeutet das für Adlershof?

Hertel: Bei den Koalitionsvereinbarungen hat niemand bedacht, was da eigentlich angerichtet wird. Bei den wenig ins Detail gehenden Verhandlungen hat man nicht gesehen, was es bedeutet, 63 Millionen Mark an Landesmitteln beim Hochschulbau zu streichen. Das heißt mit anderen Worten, dass noch einmal dieselbe Summe dazukommt, weil in gleicher Höhe die Bundesmittel dem Land gestrichen werden. Ich sehe keine Projekte im Hochschulbau, wo man so kurzfristig diese Summen sparen könnte. Das wird ja noch schlimmer im nächsten Jahr, wenn weitere Konsolidierungsbeiträge fällig werden. Der Hochschulbau wird damit bis zur Unkenntlichkeit heruntergefahren.

Scharwächter: Adlershof gewinnt seine Attraktivität auch aus der Ansiedlung der naturwissenschaftlichen Institute der Humboldt-Universität. 1. Weil hierdurch die Forschung in der Prozesskette bis zur Entwicklung und Vermarktung ergänzt wird; 2. Weil mit der Lehre auch qualifiziertes Personal nach Adlershof kommt. Wenn der beschleunigte Umzug der Humboldt-Universität nach Adlershof nicht so vonstatten geht wie geplant, bedeutet dies einen herben Rückschlag für das quantitative und qualitative Wachstum von Adlershof. Im Wissenschaftspark sind heute 450 Unternehmen tätig. Im letzten Jahr wurden 50 neue Unternehmen angesiedelt, in diesem Jahr bereits schon 20 neue. Ich befürchte, dass die langfristigen Ziele der WISTA Management GmbH unerreichbar werden, wenn die Attraktivität von Adlershof nicht mehr durch den beschleunigten Umzug der Institute der Humboldt-Universität gesichert wird.

Kern der Überlegungen von Politikern, Wirtschaftlern und des Wissenschaftsrats war es, den Umzug der Universitätsinstitute nach Adlershof möglichst zu beschleunigen. Der Ausbau in Adlershof sollte im wesentlichen im Jahr 2004 abgeschlossen werden und nicht erst im Jahr 2010. Ist diese Beschleunigung gefährdet?

Hertel: Die Beschleunigungsplanung, an der ich im letzten Jahr noch in meiner Funktion als Staatssekretär mitgearbeitet habe, ging auf die ausdrückliche Bitte des Wissenschaftsrats zurück. Man wollte der großen Sorge der Universität begegnen, über viele Jahre zerrissen zu sein. Da ist es mit ausdrücklicher Billigung des Parlaments gelungen, einen beschleunigten Umzug durch eine teilweise Nutzung vorhandener Gebäude so zu gestalten, dass Ende 2003 der Umzug praktisch abgeschlossen werden sollte. Das heißt dann wäre die Humboldt-Universität in Adlershof bis auf die Biologie voll funktionsfähig gewesen. Ein solch schneller Vollzug wäre dann auch für die Firmen attraktiv. Die Firmen haben uns immer wieder erklärt, wenn die Universität in Adlershof funktionsfähig ist, dann wären auch sie hoch interessiert an diesem Standort für Wissenschaft und Wirtschaft. Wir sollten jetzt mögliche Investoren in Deutschland oder in der Welt nicht dadurch vor den Kopf stoßen, dass wir die Planung wieder nach unten korrigieren. Die High-tech-Welt wartet nicht auf uns, bis Berlin seine Haushaltsprobleme geklärt hat. Es geht nicht zuletzt um die Glaubwürdigkeit Berlins in nationalen und internationalen Wettbewerb. Daher dürfen wir auch das Vertrauen, das Unternehmen in die Erklärungen des Landes zum Ausbau von Adlershof gesetzt haben, nicht enttäuschen. Der Bau der Institute in Adlershof darf nicht gestreckt werden, wie es sich jetzt durch die Sparpolitik des Landes Berlin abzeichnet.

Scharwächter: Ich könnte eine Änderung der festgelegten Prioritäten nicht verstehen, denn es würde die Attraktivität von Adlershof vermindern und die Vernetzung in der Humboldt-Universität erheblich erschweren. Informatik, Mathematik und Chemie werden dann in Adlershof sein und die übrigen Institute Physik, Biologie, Psychologie und Geographie werden erst später kommen. Das heißt, die mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät würde auseinandergerissen. Informatik, Mathematik, Physik, Chemie sind aber die Kernfächer für die Fakultät und die müssen entsprechend der beschleunigten Planung möglichst bald in Adlershof kooperieren.

Wenn bei den Investitionen gespart werden muss und davon auch Adlershof nicht verschont würde, was kann man strecken und was muss mit Vorrang gebaut werden?

Scharwächter: Die Verlagerung der Institute muss ebenso Priorität haben wie das geplante Informations-und Kommunikationszentrum. Ob die Humboldt-Universität mit ihren Instituten in Adlershof ohne Bibliothek und Rechenzentrum auskommen kann, ist zu bezweifeln.

Hertel: Ich halte auch das Informations- und Kommunikationszentrum für unverzichtbar. Kommuniziert wird über die Bibliothek und das Rechenzentrum - beide Einrichtungen brauchen die Institute der Universität, ebenso die Institute der außeruniversitären Forschung und die Firmen.

In Adlershof steht mehr als der Bau der naturwissenschaftlichen Institute der Humboldt-Universität zur Debatte. Was muss in Adlershof noch geschehen, um den Standort attraktiver zu gestalten?

Scharwächter: Die Attraktivität von Adlershof hängt von der Qualität der Wissenschaft, der Infrastruktur und der Rahmenbedingungen für Investoren ab. Das ist eine primäre Aufgabe der Akteure in Adlershof.

Hertel: Wir haben in den letzten acht Jahren in Adlershof hervorragende Fortschritte gemacht. Es wurden und werden Firmen angesiedelt, die Kompetenz der außeruniversitären Forschungseinrichtungen hat zugenommen. In Adlershof werden in den zwölf Instituten etwa 210 Millionen Mark jährlich umgesetzt, davon zahlt das Land Berlin nur 49 Millionen Mark. Den Rest steuern der Bund und die anderen Länder bei oder er kommt durch eingeworbene Drittmittel herein. Die Institute sind international eingebunden, sie sind vom Wissenschaftsrat in den Jahren 1998/99 erneut evaluiert und sehr gut bis exzellent beurteilt worden. Es gibt hier ein Potenzial, das das Land Berlin durch eine falsche Haushaltspolitik jetzt nicht zerstören darf. Die Fragen stellte Uwe Schlicht.

Der Wissenschaftsrat hat Berlin zwei Empfehlungen

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