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Berlin: „Es gibt noch keine Langzeitstudiengebühren“

PDS-Wissenschaftssenator Flierl kämpft für Studienkonten

Herr Flierl, mit Ihnen als PDSSenator hat der Senat am Dienstag Studiengebühren verabschiedet, wie sie noch im Koalitionsvertrag abgelehnt wurden. Wie kommt es zu Ihrem Sinneswandel?

Das ist eine falsche Wahrnehmung. Der Senat hat weder Studienkonten noch Langzeitstudiengebühren beschlossen. Er hat einen Bericht an den Hauptausschuss mit rechnerischen Grundlagen für eine Übergangsregelung zu einem Studienkontenmodell verabschiedet. Selbst diese Übergangsregelung bedarf einer gesetzlichen Änderung. Und das kann erst nach dem PDS-Parteitag Anfang April passieren.

Auch wenn Sie sagen, dass Langzeitstudiengebühren nicht verabschiedet wurden: Das Übergangsmodell beinhaltet Gebühren.

Meine Position heißt nach wie vor: Studienkonten statt Studiengebühren. Mit dieser Position trete ich auch vor den PDS-Parteitag, der darüber abstimmen muss. Mein Studienkontenmodell ist verbrauchsabhängig, das heißt, Teilzeitstudien und dergleichen sind möglich. Wir brauchen dafür eine Überleitungsregelung für all die, die zu diesem Zeitpunkt bereits studieren. Bisher gibt es keine Kreditpunkte, keine Studienkonten …

… Das heißt aber doch Gebühren für Langzeitstudierende.

Wir müssen die Studienkonten vorübergehend fiktiv nachbilden. Und das können wir nur semesterabhängig machen. Diese Übergangsregelung ist tatsächlich konservativer und strikter als das von mir favorisierte Studienkontenmodell. Der Kampf geht jetzt darum, wie diese Übergangsregelung gefasst wird. Die SPD wollte Gebühren nach zwölf Semestern, die PDS wollte die Orientierung nach der doppelten Regelstudienzeit, nach 16 Semestern, und jetzt haben wir den Kompromiss, Gebühren nach 15 Semestern einzuführen. Damit kann ich leben. Und damit können wir dem Hauptausschuss des Parlaments darstellen, wie zehn Millionen Euro in den Landeshaushalt fließen und zehn Millionen Euro an die Universitäten gehen. Das ist eine Einnahmeerwartung …

Es gibt zirka 135000 Studierende, davon 27000 Langzeitstudierende ab dem 15. Semester. Bei Einführung der Gebühren gehen Sie davon aus, dass sich ein Teil exmatrikuliert, ein anderer Teil fällt unter die Härtefallregelung. Wer garantiert Ihnen, dass tatsächlich zehn Millionen Euro durch Gebühren in die Landeskasse fließen – und zehn Millionen Euro an die Universitäten gehen?

Es geht nicht darum, die Landeskasse zu füllen. Wir machen in der Hochschulfinanzierung einen Schritt zu einem neuen Modell, das noch keine gesetzliche Grundlage hat. Wir haben noch keine reellen Zahlen. Mit diesem Risiko muss man leben. Sollte es nicht zu den zehn Millionen Euro kommen, sage ich auch klar, dass das nicht zusätzlich aus meinem Haushalt geholt werden kann.

Wie wollen Sie das denn dem SPD-Finanzsenator Sarrazin erklären?

Da würde ich Herrn Sarrazin nach der Verlässlichkeit der Steuerschätzung, nach den negativen Auswirkungen der rot-grünen Steuer- und Arbeitsmarktpolitik auf Berlin und nach der Vermögensaktivierung durch Grundstücksverkäufe über den Liegenschaftsfonds und so weiter fragen. Aber das führt nicht weiter. Mein politischer Wille heißt: Studienkonten einführen, um Studiengebühren zu verhindern. Dafür brauche ich die Legitimation der eigenen Partei auf dem Parteitag.

Nach der Senatsentscheidung ist das für Sie aber nicht einfacher geworden: Studienkonten und Langzeitstudiengebühren seien das Einfallstor für Gebühren generell , sagen Kritiker wie Ihr Parteifreund Benjamin Hoff, der wissenschaftspolitische Sprecher der Fraktion.

Es geht um die hochschulpolitische Debatte in Deutschland. In diesem Jahr ist damit zu rechnen, dass das Bundesverfassungsgericht das Hochschulrahmengesetz nach der Klage unionsgeführter Länder kippen wird, das Gebührenverbot für das Erststudium aufgehoben werden würde. Dann wären wieder die Länder gefragt. Da will ich vorbauen und mein Studienkontenmodell als Berliner Beitrag zur hochschulpolitischen Debatte vorstellen. Wer allerdings Studiengebühren einführen will, wird versuchen, ein Studienkontenmodell der PDS zu verhindern.

Damit meinen Sie den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und Thilo Sarrazin.

Die beiden konnten sich auf ihrer Fraktionsklausur nicht durchsetzen. Und die PDS steht für ihr Gebührenmodell nicht zur Verfügung.

Es gibt bei Ihrem Modell keine Garantie dafür, dass Studierende nicht schon früher zahlen müssen als Sie es planen. Sie wollen das Studium auf 24 Semester strecken. Diese gebührenfreie Zeit könnte jede andere Regierung beliebig verkürzen. Auch die SPD könnte die Latte doch viel niedriger legen.

Ich will das Modell durch Gesetz einführen. Und dann kann es wieder nur durch ein Gesetz geändert werden. Solange die PDS mit in der Regierung ist, geht das nur mit ihrer Zustimmung.

Das Gespräch führten Sabine Beikler und Anja Kühne.

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