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"Es ist alles hin": Nach Werftbrand in Spandau kamen Bootsbesitzer spontan

Schock und Mitgefühl: Am Tag nach dem Feuer auf der Spandauer Werft wabert noch Brandgeruch durch die Luft. Die Brandursache ist weiter unklar.

Das Schiff ähnelte den schicken Cabriobooten des italienischen Herstellers Riva. Türkisfarbene Ledersitze, Mahagonideck, ein Einzelstück, gebaut auf einer Werft in Köpenick in den 70ern. Mittwochvormittag ist dort, wo das Boot in den vergangenen Wochen aufpoliert wurde, nur noch ein Rest zu sehen: der 300-PS-Motor und zwei verkohlte Planken. Der Großbrand, dessen Flammen wie berichtet in der Nacht zum Dienstag im Büro und der angrenzenden historischen Werkstatthalle der Marina-Lanke- Werft an der Scharfen Lanke in Spandau wüteten, hat auch dieses hölzerne Schiff einer Berliner Familie vernichtet. Seit 17 Jahren waren sie mit ihrem Prachtstück „mit Kind und Kegel“ auf der Havel unterwegs. Am Mittwoch nahmen sie Abschied. Sie fotografierten durch geborstene Fensterscheiben, was übrig blieb.

Am Tag danach wabert noch scharfer Brandgeruch in der Luft. Nur die geklinkerten Außenmauern der vom Feuer heimgesuchten, gründerzeitlichen Gebäude sind stehen geblieben. Dick liegt der Ruß auf den Ornamenten der Fassaden. Die Dächer sind eingestürzt, drinnen Chaos. Verbogene Stahlträger, Trümmer, angekokelte Werkbänke, dazwischen die Skelette moderner Charter-Hausboote, die in der Werft für die nächste Saison fit gemacht wurden. Nur stählerne Spanten und Bruchstücke des Rumpfes sind geblieben, mit abgeplatztem Lack, vom Feuer angefressen.

Mit rot-weißen Bändern ist das Gelände teils abgesperrt. Doch mit einem solchen Ansturm, wie er Mittwoch früh einsetzt, hat wohl niemand gerechnet. Bootsbesitzer, die ihre Schiffe in der vom Feuer verschonten großen Nachbarhalle im Winterquartier haben, strömen besorgt und neugierig herbei. Aber auch Fans der Marina, für die das Werftgelände mit seinem Bistro und dem lebendigen Sportboothafen ein beliebtes Ausflugsziel ist.

„Du lieber Himmel, das sieht ja hier aus wie nach 1945“, ruft ein junger Mann. Dann lehnt er sich mit seiner roten Outdoor-Jacke so weit durch den bröckelnden Fensterrahmen, dass ihn ein Werftmitarbeiter am Kragen zurückzieht. Ein Schild weist zur ausgebrannten Halle. „Bootsservice“ steht darauf. „Dort hab ich mir immer Ersatzteile für meine Motorjacht geholt“, sagt Peter Steinert aus Tiergarten und blickt betrübt in die schwarze Mauerhöhle. Dienstag früh hatte er im Radio vom Brand erfahren und sich „gleich auch ums eigene Boot gesorgt“. Deshalb war er „schon etwas erleichtert“, als er erfuhr, dass die größte Werfthalle mit einer Vielzahl dort eingewinterter Sportboote – darunter auch seine „Elvira“ – erhalten blieb.

Nun will er sich spontan ein Bild von der Lage machen. „Schrecklich, ein Schock“, sagt Ingrid Bolte neben ihm mit leiser Stimme. Traditionell vertäut sie ihr Sportboot im Sommer an der Marina Lanke. „Das Hafenmeisterbüro war so liebevoll hergerichtet, jetzt ist alles hin.“ Erstaunlich wenig Brandspuren haben hingegen etliche Boote, die neben dem zerstörten Gebäude im Freien aufgebockt sind. Der Wind trieb die Flammen von ihnen weg. Allerdings waren diese Schiffe nach Darstellung der Feuerwehr auch der Grund, weshalb die Retter nicht sofort mit voller Wasserkraft löschen konnten. „Die Schiffe standen im Weg, wir konnten kein Löschfahrzeug mit Pumpe ans Havelufer fahren“, antwortet ein Sprecher auf Vorwürfe, bei dem Einsatz sei einiges schiefgegangen.

Die Brandursache ist weiter unklar. Ob man zumindest die Außenmauern der historischen Gebäude erhalten kann, erörterten am Mittwoch die Fachleute. „Es ist ein Millionenschaden“, sagt die Frau des Werftchefs, Annette Twelkmayer. „Aber diese Marina ist unser Leben.“ Es ist ein Betrieb in der dritten Generation. Tränen stehen ihr in den Augen. Dann sagt sie mit fester Stimme: „Wir machen weiter!“

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