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Berlin: „Es war nett“

Als störrische EU-Parlamentarierin wurde Ilka Schröder bekannt. Jetzt geht ihre Zeit in Straßburg zu Ende

Sie wollte den Spinat nicht, sollte ihn aber trotzdem essen, und so fütterte der Vater die Tochter auf dem Balkon – über seiner Schulter den Mantel, mit dem er sonst die Kohlen aus dem Keller holte.

Ilka Schröder sitzt in einer Kneipe, erzählt die Geschichte aus ihrer Kindheit in Neukölln und lacht. Störrisch sein, das konnte sie schon immer. Das erfuhren auch die Grünen, für die sie 1999 ins Europa-Parlament einzog. Sie fand deren Politik schnell heuchlerisch, machte das öffentlich, ging den Kollegen auf den Wecker und wurde „dumme Gans“ genannt. 2001 trat sie bei den Grünen aus und der Fraktion der „Vereinigten Europäischen Linken“ bei. Mit denen sei es auch nicht immer einfach gewesen, sagt sie. Und nun ist ganz Schluss: Bei der Europa-Wahl am Sonntag ist sie nicht dabei, ihre Büros werden gerade ausgeräumt, ein paar Mal noch wird sie zwischen Berlin, Brüssel und Straßburg hin- und herfliegen, und sie bedauert gar nicht, dass die Zeit vorbei ist. „Es war nett“, sagt Schröder, die inzwischen 26 Jahre alt ist. Sie hat in den fünf Jahren für keinen einzigen ihrer Anträge eine Mehrheit bekommen und ist stolz darauf, weil sie sich eingelassen hat auf Kompromisse. Nun suche sie andere Wege, ihre Positionen zu verbreiten, allesamt extrem und links. Ilka Schröder spricht laut und schnell, fast rattert es: „Staatskritik“, „Lohnarbeitsdiktat“. Sie sieht wachsenden Antisemitismus allerorten, spricht vom „palästinensischen antisemitischen Terrorkrieg gegen Israel“ oder spottet über „Friedensmachtgedöns“ und meint damit die EU-Bestrebungen, bei internationalen Konflikten mehr zu vermitteln. Sie kann all das begründen, sie hat sich schlau gemacht, kennt sich aus, und bleibt bei allem Einsatz für das Thema sachlich und unaufgeregt. Auch über die Attacken ihrer Parlamentskollegen sagt sie erstaunlich ungerührt: Wer sie beleidige, mache doch nur klar, dass er keine Argumente habe. Ihre Familie habe sich aber schon manchmal besorgt gezeigt über ihr Leben, da in Brüssel.

In den fünf Jahren war Ilka Schröder an den Wochenenden in Berlin, inklusive Freitag und Montag, hat hier Politologie studiert und ihr Diplom gemacht. „Es war kein Spaziergang“, sagt sie. Ihre radikalen Reden haben sie bekannt gemacht. Sie hält Vorträge in den USA oder Israel, gerade war sie in Kanada. Sie arbeitet an einem Buch über Geheimdienste der EU und hat gerade eine Einladung der Georgetown University Washington ausgeschlagen, ab sofort dort zu unterrichten. Sie bleibt zunächst in Berlin. „Ich habe mir einen Architekturstadtplan gekauft“, sagt sie. Zur Orientierung.

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