zum Hauptinhalt

Berlin: EU-Urteil: Berliner Abfallplan geplatzt Ausbau der Verbrennungsanlage Ruhleben ist vom Tisch. Entsorgungsgebühren sollen nur wenig steigen

Berlin vollzieht eine Kehrtwende in der Abfallpolitik. 460 000 Tonnen Hausmüll – rund die Hälfte des jährlich anfallenden Menge – sollen ab 2005 nicht mehr die Berliner Stadtreinigung (BSR) allein entsorgen dürfen.

Berlin vollzieht eine Kehrtwende in der Abfallpolitik. 460 000 Tonnen Hausmüll – rund die Hälfte des jährlich anfallenden Menge – sollen ab 2005 nicht mehr die Berliner Stadtreinigung (BSR) allein entsorgen dürfen. Stattdessen will die rot-rote Koalition diesen Abfall europaweit zur Verwertung ausschreiben, wobei mehrere Unternehmen jeweils ein Stück des Kuchens abbekommen sollen. Die Berliner Müllwerker dürfen sich nur beteiligen, wenn sie Partner finden. „Das ist die ökonomisch und ökologisch sinnvollste Variante“, sagt der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Daniel Buchholz. Damit ist der von der BSR favorisierte Ausbau der Verbrennungsanlage in Ruhleben vom Tisch. Auch die an der Neuköllner Gradestraße geplante Sortieranlage der BSR ist obsolet, ebenso wie die biologische Verwertung im Brandenburger Schöneiche. Der Senat soll in der kommenden Woche über den Antrag des Koalitionsausschusses entscheiden.

Die Neuorientierung ist durch die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes notwendig geworden. Danach ist die Verbrennung von Müll nur dann eine Verwertung, wenn dadurch zum Beispiel in Zementwerken fossile Brennstoffe ersetzt werden. Jede andere Verbrennung ist nur eine Müllbeseitigung. Doch die wiederum ist in Deutschland ab dem 1. Juni 2005 verboten.

Buchholz rechnet mit einer großen Anzahl von Interessenten, die ab 2005 Berlins Müll entsorgen wollen. Dieser Konkurrenzdruck werde dafür sorgen, dass die Müllgebühren vielleicht sogar nahezu gleich bleiben. Doch Insider sehen das nicht so optimistisch. Denn die Koalition plant, die Ausschreibungen mit teuren Bedingungen zu spicken. So soll zum Beispiel die Entsorgung möglichst ökologisch sein, sprich: weniger Lärm- und Abgasbelastung, geringer Ausstoß an Kohlendioxid und ein hoher Wirkungsgrad durchKraft-Wärmekopplung in Kraftwerken.

Diese Wende in der Abfallpolitik ist die dritte innerhalb der letzten zwei Jahre. Zunächst wollte die BSR mehr Abfall verfeuern und dafür neue Müllverbrennungsanlagen bauen. Diese Konzept wurde 2001 vom Senat gekippt, woraufhin die Müllwerker ein neues Konzept – Stab I – vorlegten. Danach sollte in drei über die Stadt verteilten Sortieranlagen der Abfall in recycle- und brennbare Fraktionen getrennt und ein Teil im Verwertungszentrum Schwarze Pumpe zu Methanol verarbeitet werden. Als diese Option platzte, weil das Verwertungszentrum mit dem Müll nicht klargekommen wäre, legte die BSR ein neues Konzept vor: Stab II, das hieß mehr Verfeuerung in der erweiterten Verbrennungsanlage Ruhleben und nur noch eine Sortieranlage. Investitionen: 185 Millionen Euro. Nun muss wieder umgedacht werden. Wie bisher wandern 520 000 Tonnen in den Ruhlebener Müllofen. Der Rest wird ausgeschrieben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false