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Berlin: EU verbietet Berliner Luft

Überhöhte Feinstaub-Konzentration in Souvenir-Dosen nachgewiesen. Umweltkommissar setzt Frist bis Jahresende

Berliner Luft in Dosen – ein beliebtes Reisemitbringsel für Touristen aus aller Welt. Doch nach dem Willen der EU wird es sie bald nicht mehr geben, sofern es dem Senat nicht gelingt, die Luft in der Stadt generell von gefährlichen Feinstäuben aus Dieselmotoren zu befreien. Dies geht aus einem Brief hervor, den die Senatsumweltverwaltung jetzt aus dem Büro von EUUmweltkommissar Stavros Dimas erhalten hat. Es heißt darin, bei einer Stichprobe seien jetzt in mehr als 35 Prozent der überprüften Dosen diese Feinstäube in überhöhter Konzentration festgestellt worden. Falls es der Verwaltung nicht gelingt, die Berliner Luft nachhaltig zu säubern, muss das Produkt bis zum Jahresende vom Markt genommen und unter Aufsicht von Experten entsorgt werden.

In Berlin war dieser Aspekt des Feinstaub-Problems bisher unbekannt. Der Umweltkommissar beruft sich auf die aktualisierten Ausführungsbestimmungen zur EU-Luftqualitäts-Rahmenrichtlinie 1999/30/EG, die detaillierte Vorgaben für die Höchstbelastung von Spielzeug, Freizeitartikeln und Genussmitteln enthalten – es gilt als wahrscheinlich, dass damit auch das Aufblasen von Luftballons mit ungefilterter Außenluft illegal werden könnte. „Die Kommission ist der Auffassung, dass schon der Inhalt von wenigen hundert Dosen Berliner Luft in der Normalgröße geeignet ist, die Gesundheit des Benutzers erheblich zu beeinträchtigen“, sagte ein Sprecher der Kommission. Er räumte ein, dass die Dosen im Normalfall nicht geöffnet, sondern als Erinnerung verschlossen aufbewahrt werden. „Doch können Sie das garantieren?“

Beim Senat hieß es, man werde das Problem genau im Auge behalten und setze darauf, dass die Berliner Luft im Zuge der Modernisierung des Fahrzeugbestands sauberer werde. Notfalls müssten die Hersteller der Dosen geeignete Filtersysteme einbauen. Das sei unmöglich, sagte Peter-Paul Lincke, dessen Firma in Waidmannslust zu den größten Abfüllern gehört. „Wir können doch nicht die ganze Luft in der Halle filtern“, sagte er, „Berliner Luft ist doch nichts als das, was in der Dose drin ist, wenn wir sie zumachen.“

Lincke hat bereits in Brüssel angefragt, ob die Verlagerung der Produktion ins sauberere Brandenburger Umland das Problem lösen wurde. Dort aber verwies man auf die Anlagen zur EU-Richtlinie 2003/1920/EG, die unter 203.17.95 „Berliner Luft“ als Luft definiert, „die in einer Höhe von maximal zehn Metern lotrecht über dem Boden Berlins in den Grenzen vom 3.10.1990 gewonnen wird.“ Linckes Produkt müsste dann „Brandenburger Luft“ heißen. „Aber mal ehrlich“, sagt er empört, „welcher Tourist würde so was in Berlin kaufen?“ bm

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