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Berlin: Europa gegen Washington

Welche Adresse bekommt der Hauptbahnhof? Er liegt zwischen zwei Plätzen. Für die CDU geht es um eine weltanschauliche Frage

Zu seinem 200. Geburtstag wollten sie ihn und seine Verdienste würdigen. Also beschlossen Berlins Stadtväter, dem Platz vor dem Lehrter Bahnhof in Andenken an den ersten Präsidenten der USA seinen Namen zu geben. Und so geschah es auch: Seit dem 12. Februar 1932 heißt die riesige Fläche an der Moltkebrücke in Tiergarten Washingtonplatz. Dass dieser heute kaum noch bekannt ist, liegt am Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen. Der Lehrter Bahnhof verschwand und mit ihm der Platz. Während der Teilung Berlins war von Washingtons ortsbezogener Würdigung in Berlin nicht mehr geblieben als eine hässliche Kreuzung, mittendrin im Nirgendwo. Wer hat auf der Fahrt von Wedding nach Kreuzberg schon bemerkt, dass er diesen einstmals stolzen Platz passierte?

Jetzt soll er wiederentstehen – und in neuer Form zentrale Bedeutung zurückerlangen. Mit der Rückkehr der Bahn an den geschichtsträchtigen Ort und der Inbetriebnahme des neuen Hauptbahnhofs erhält Berlin auch seinen Washingtonplatz zurück. Die Pläne für die Gestaltung sind schon fertig. Die Büros von Gabriele Kiefer und Martha Schwartz haben eine große helle Asphaltfläche entworfen, die von Natursteinen aus Basalt durchbrochen wird. Ein Baumhain aus Weiden wird den Platz einfassen und irgendwann einmal ein würfelförmiges Gebäude mitten drauf stehen. 4,7 Millionen Euro lassen sich der Bund und Berlin die Gestaltung kosten. Im Januar beginnen die Bauarbeiten.

Dem CDU-Abgeordneten Uwe Lehmann-Brauns gehen die Pläne aber noch nicht weit genug. Er möchte, dass die Bahn AG ihrem neuen Bahnhof die alte Adresse „Washingtonplatz“ gibt: „Um das deutsch-amerikanische Verhältnis im Stadtbild angemessen zu verankern, brauchen wir eine würdige Adresse.“ Bekäme der Bahnhof diese Anschrift, wäre das ein wichtiger, weil symbolischer Schritt, sagt er. „Wir dürfen 15 Jahre nach der Einheit nicht vergessen, was die Amerikaner für die Stadt getan haben“, sagt Lehmann-Brauns, „sie haben in der Zeit des Kalten Krieges die Existenz Berlins garantiert.“

Die Bahn-AG widerspricht dem Ansinnen Lehmann-Brauns nicht, hat sich aber noch nicht entschieden, welche Adresse der neue Bahnhof bekommt. „Wir sind mittendrin in der Planungsphase“, sagt Bahn-Sprecher Burkhard Ahlert. Er verweist aber darauf, dass der nördliche, aber kleinere Bahnhofsvorplatz eigentlich der wichtigere von beiden ist. Dort werden die Straßenbahnen aus Wedding und Prenzlauer Berg halten. Dort stoppen auch die meisten Busse der BVG. Und der nördliche Platz hat einen ebenso würdevollen und wichtigen Namen: Europaplatz.

Europa gegen Washington. Das ist in diesen eben nicht ungetrübten Zeiten des transatlantischen Verhältnisses eine Frage, die der Bahn AG noch einige verbale Verrenkungen abnötigen könnte, wenn sie erklärt, wie sie sich entschieden hat. Dafür verantwortlich ist nun Lehmann-Brauns. Bevor er seine Forderung erhob, hat sich niemand ernsthaft dafür interessiert, welche Adresse der Bahnhof bekommt. Er wäre zur Fußball-WM im kommenden Jahr einfach in Betrieb gegangen, und die Briefträger hätten ihren Weg schon irgendwie gefunden – vermutlich vom Europaplatz aus hinein in die große Glashalle des Hauptbahnhofs.

Europa hat gegenüber Washington einen kleinen Vorteil. Washingtons Platz wird noch über Jahre hinaus eine Baustelle bleiben – und damit nicht gerade ein Aushängeschild. Denn nach wie vor ist nicht klar, wer den geplanten Gebäudewürfel bauen wird. Vorgesehen ist ein Hotel. Die dazugehörige Tiefgarage ist schon fertig, aber ein Mieter noch nicht in Sicht. So lange sich dafür niemand findet, werden auch die Bauarbeiten an dem Haus nicht beginnen. Und so lange bleibt der Washingtonplatz zumindest in diesem Bereich ein Baustellen-Provisorium. Der Europaplatz wird aber bereits weitgehend fertig sein, wenn drinnen im Bahnhof die ersten ICEs halten.

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