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Europawahl: Ein Querkopf setzt sich durch

Ein Einzelgänger kandidiert bei der Europawahl: Der Erfolg des früheren DDR-Bürgerrechtlers Werner Schulz überrascht Berlins Grüne.

Von Sabine Beikler

Reden kann er gut. Mit Reden setzte sich Werner Schulz 2002 in einer Kampfkandidatur gegen Christian Ströbele und Andrea Fischer durch und kam auf den erfolgreichen zweiten grünen Landeslistenplatz zur Bundestagswahl. Und mit einer Rede schlug der 59-jährige Grünen-Politiker fast auf den Tag genau sieben Jahre später vergangenes Wochenende auf dem Dortmunder Grünen-Bundesparteitag sieben Mitbewerber aus dem Rennen und kam, wie berichtet, auf den aussichtsreichen Platz acht der Europawahlliste.

Auch die 66 Berliner Delegierten freuten sich über den Sieg des im Pankower Kreisverband organisierten Grünen. Schulz sieht seinen Erfolg auch ein wenig als Rehabilitation, wie er sagt. Häufig sei er von seiner Partei „geschunden“ worden. Das Verhältnis zwischen den Grünen und ihm war nicht immer spannungsfrei, auf Bundes- wie auf Landesebene. Und daran trug Schulz auch eine Portion Mitschuld.

Bei vielen Grünen war der frühere DDR-Bürgerrechtler unten durch, als er vor vier Jahren in der Bundestagsdebatte über die von Gerhard Schröder gestellte Vertrauensfrage den Bundestag mit der DDR-Volkskammer verglich. Er wetterte gegen eigene Parteifreunde, die „wie Lemminge“ Schröder bei den angekündigten Neuwahlen folgen würden. Als „selbstgerechter Querkopf“ stempelte ihn die Parteispitze damals ab. Und als Schulz bei der Aufstellung zur Landesliste für die Neuwahlen antrat, ließen ihn die Berliner Grünen mit Pauken und Trompeten durchfallen. Obwohl Schulz selbst vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Neuwahlen klagte, bewarb er sich dann in Pankow um das Direktmandat der Grünen. Diesen Widerspruch konnte er nicht auflösen. Im Wahlkampf kam es zu „massiven Kommunikationsstörungen“ mit dem Kreisverband, wie ein Pankower Mitglied erzählt. Statt den Wählern zu vermitteln, was er konkret im Bund für Pankow zu tun gedenke, habe er große Reden geschwungen.

Schulz ist nicht jemand, der Konzepte vorlegt. Er versteht sich als Mahner, Beobachter und leitet daraus Strategien ab. Parteifreunde haben den ehemaligen Politiker von Bündnis 90 und Bundestagsabgeordneten ( 1990 bis 2005) schon einmal offen als „Faulpelz“ verspottet. Die letzten Jahre hatte sich Schulz aus der Politik zurückgezogen, an Büchern mitgeschrieben und Ringvorlesungen in Chemnitz und Marburg über die Umbruchzeiten 1989/1990 gehalten. Seine Europa-Kandidatur hatte der Einzelgänger ohne das Votum eines Landesverbandes vorbereitet. Geschadet hat es ihm nicht: Die Grünen wissen, dass Schulz 20 Jahre nach dem Mauerfall noch einer der wenigen in der Partei ist, die für den Namenszusatz „Bündnis 90“ stehen. Sabine Beikler

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