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Großes Kino. Die CDU hat sich Hollywood zum Vorbild genommen, Wowereit ist unfreiwilliger Wahlhelfer für die Grünen und die SPD wirbt etwas rätselhaft für "100% Berlin".

© Promo

Europawahlkampf in Berlin: Che Guevara trifft Männeken Pis

Vor dem Super-Wahlsonntag sind Berlins Straßen mit Wahlplakaten zugekleistert: Die Grünen treten mit Wowereit an, die CDU mit einer Filmcrew. Was die Plakate aussagen sollen, ist allerdings nicht immer klar.

Angela Merkel und Che Guevara sind Berliner Spitzenkandidaten für die Europawahl. Das stimmt so nicht, wird aber in einschlägigen Plakatmotiven behauptet.

Zu den optischen Irritationen der EU-Kampagne gesellen sich schwer deutbare Aphorismen in Sachen Volksentscheid Tempelhofer Feld.

Selbst die Frage, ob einzelne Plakatcollagen nun auf die Europäische Union zielen oder um das Ex-Flugfeld Tempelhof kreisen, lässt sich oft erst auf den zweiten Blick beantworten.

Grüne: Kein Flughafen für Wowereit

Die Grünen wollten es in Sachen Tempelhof besonders schlau anstellen: Dem Flughafen-Pleitier Klaus Wowereit noch einen Flughafen überlassen? Geht gar nicht, könnten selbst eingefleischte Sozialdemokraten mit Wowereit-Überdruss insgeheim denken.

Dennoch geraten auch die Grünen in Erklärungsnöte: Im Volksentscheid wird an erster Stelle über den Entwurf der Bebauungsgegner, an zweiter Stelle über den des Senats abgestimmt. Unter dem Plakat der Grünen rückt die zweite Volksentscheid-Frage aber in die erste Position: „Nein zu den Senatsplänen“.

Die Plakatmacher waren in dem Dilemma, dass ein „Ja zu Tempelhof“, korrekt an die erste Position gerückt, auch als Zustimmung zur Plakatfrage „Würden Sie diesem Mann noch einen Flughafen anvertrauen“ gedeutet werden könnte.

Wowereit reagierte auf das Plakat überraschend dünnhäutig. „Vom Niveau her unterste Kiste“, polterte er in der „taz“. Geärgert hat er sich vor allem über das Foto, wie er schlaff und lustlos im Abgeordnetenhaus sitzt.

SPD: 100 Prozent Berlin

Das Plakat fordert auf, für „100 Prozent Berlin“ zu stimmen. Steht denn das zur Abstimmung?

Geht es nicht um „100 Prozent Tempelhof“? Oder hat, wer für 100 Prozent Tempelhof, also das Freihalten des Feldes stimmt, nicht dem Gefühl nach auch für „100 Prozent Berlin“ votiert? Sind Freiraumfans nicht auch 100-Prozent-Berliner?

Da lassen sich die ineinander verknoteten Denkfäden kaum noch aufdröseln.

Die SPD leistet sich in Martin Schulz einen echten, weit über Berlin hinausragenden EU-Spitzenkandidaten in Großformat. Das ist klare Wahlkampfsprache: Leute, das ist unser Mann für Brüssel!

In Sachen Tempelhof bleiben die Botschaften aber unscharf. Das Plakat „Berlin statt Stillstand“ benennt einen Gegensatz, der sich schon bei kurzem Nachdenken in Luft auflöst.

Berlin ist nicht nur immer Wandel, sondern auch oft Stillstand, auf jeden Fall viel mehr als die Frage: Freihalten oder Zubauen.

Piraten: Männeken Pis und die NSA

Die Zeile: „Ich kann nicht, wenn jemand zuschaut“ ist wohl auf den NSA-Abhörskandal gemünzt. Aber bis man diesen Assoziationssprung im Alltagstress geschafft hat, klebt man selber an der nächsten Laterne.

Schwierig auch das Herz-Motiv. Was soll das heißen, zwischen Angst und Mut liegt nur ein Herzschlag? Beziehen sich die Farben Blau-Gelb auf die Ukraine? Und ist die schwerfällige EU mit Sternen in Herzform wirklich adäquat beschrieben?

CDU: Zeller und die Filmcrew

Joachim Zeller trat zunächst wie der Clanchef einer neuen US-Familiensaga auf, neben ihm aufgereiht die nachrangigen, aber natürlich mit fiesen Intrigen um die Macht kämpfenden Listenkandidaten. Großes Kino!

Nach zwei Wochen war damit schon wieder Schluss. Zeller durfte allein aufs Großplakat, aber der riesige bärtige, etwas bleiche Zeller-Kopf schien den Strategen dann doch zu wuchtig.

In der dritten Plakatversion assistiert der bartlose Innensenator Frank Henkel seinem EU-Kandidaten. Botschaft: In der Union wird niemand allein gelassen.

MLPD: Onkel Che nach Brüssel

Gäbe es einen besseren Kandidaten? Die EU könnte ein wenig mehr „internationale Solidarität“ gut vertragen.

Leider schon verstorben.

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