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Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au und Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke).

© Lino Mirgeler/dpa

Evangelischer Kirchentag in Berlin: Bibel, Gott und frisches Brot

Mal sehen, was uns verbindet: Die Kirchentagspräsidentin und der Kultursenator im Gespräch über Christentum und Glauben.

Treffen sich ein linker Atheist und eine Kirchentagspräsidentin am Brandenburger Tor. So könnte ein lahmer Witz beginnen. Donnerstagvormittag um halb zehn stehen Kultursenator Klaus Lederer und Christina Aus der Au nebeneinander auf der Kirchentagsbühne um auszuloten, was sie verbindet, was unterscheidet. „Dialogbibelarbeit“ nennen sie das, obwohl es eigentlich eher ein gegenseitiges Interview ist. Der Bürgermeister sagt, für ihn als Nicht-Gläubigen stelle die Bibel nicht das Wort Gottes dar, dafür aber Literatur und ein „unfassbar spannendes Zeitdokument“, das Milliarden Menschen geprägt habe und natürlich auch ihn selbst, bloß eben eher kulturell. Dazu fällt ihm eine – O-Ton Lederer – „lustige Marx-Bemerkung“ ein, wonach „die Tradition aller toten Geschlechter wie ein Alp auf dem Gehirn der Lebenden“ laste. Das habe Marx zwar negativ gemeint, aber es bedeute letztlich ja auch: „Unsere gemeinsame Geschichte hat unglaublich viele Einflüsse.“ Dazu zählten das Christentum im Allgemeinen und die Reformation im Speziellen, und das betreffe jeden, ob getauft oder nicht.

Der linke Senator lobt das Christentum als "Bewegung der Armen"

Es ist der erste Programmpunkt des Tages, trotzdem stehen vor der Bühne schon Tausende. Die meisten sind allerdings nicht wegen Lederer hier, sie sichern sich gute Sicht auf Barack Obama, der anschließend dran ist. Also wird überall gequatscht, Jugendliche malen noch schnell Schilder mit Sympathiebekundungen für den Ex-Präsidenten. Klaus Lederer überlächelt die Unruhe bürgermeisterhaft.

Sie hatten sich vorgenommen, über Lukas 1, 39-56, zu diskutieren, aber Lederer wird direkt grundsätzlich. Das Christentum sieht er als „Bewegung der Armen“, Gott kümmere sich nicht um die Mächtigen, vielmehr stehe er an der Seite der Unterdrückten und Entrechteten. Denen wolle er das Selbstbewusstsein geben, gleiche Rechte einzufordern. „Ich behaupte, da spricht eine revolutionäre soziale Grundhaltung aus den Texten, das ist humanistisch.“ Wobei es nicht reiche, solche Werte in einem Buch nachzulesen. „Man muss auch versuchen, sie umzusetzen.“ Sprich: das Armutsgefälle zwischen Nord und Süd reduzieren, Diskriminierung von Minderheiten bekämpfen, Ungerechtigkeiten beseitigen, wo man ihnen begegnet. Das gibt viel Applaus.

"Hier sind wir uns einig, Klaus", sagt die Kirchentagspräsidentin

„Hier sind wir uns einig, Klaus“, sagt Christina Aus der Au. Als der Senator dann noch erklärt, er sehe die Christen, die sich in der Flüchtlingsarbeit engagieren, als seine „Schwestern und Brüder“ an, klatschen alle los, sogar die plakatmalenden Obamafans, die gar kein Deutsch verstehen.

Was aber trennt den gläubigen vom nichtgläubigen Weltverbesserer? Aus der Au sagt, es gebe einen zentralen Unterschied. Denn der Mensch sei per se in sich verkrümmt und daher auf sich selbst und den eigenen Vorteil fixiert. Er könne nur, wenn er sich der Gnade Gottes bewusst sei, aufrichtig uneigennützig handeln.

Logisch, dass Lederer dies sehr anders sieht. Wenn Don Camillo und Peppone, dann jetzt. Aber an diesem Tag wird nicht gefrotzelt, nicht einmal geneckt. Der gottlose Senator und die Theologin spielen offensichtlich in derselben Mannschaft. Gegen Ende will Klaus Lederer wissen: Wie findet man eigentlich Gott? Wird einem der Glaube nicht durch Sozialisierung vermittelt, je nachdem, wo und in welchem Umfeld man aufwächst? Die Sehnsucht nach Gott zieht uns an und öffnet unser Herz, sagt Christina Aus der Au. Wie wenn man nach einem langen Spaziergang nach Hause kommt, und in der Küche riecht es nach frischem Brot. Den Geruch von frischem Brot, den kenne er, sagt Lederer noch.

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