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Fanfest zur Champions League in Berlin

© Thilo Rückeis

Eventzone Berlin: Es fehlt das Berlin-Gefühl

Nicht zuletzt das Champions-League-Finale zeigt: Die Innenstadt von Berlin ist längst Eventzone geworden. Dabei braucht Berlin eigentlich etwas ganz anderes: sich selbst. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Ide

Welch ein Jubel, welch ein Segen. Auf dem Rasen des Olympiastadions gewann Barcelona das große Finale des Weltfußballs, und vor dem Brandenburger Tor schunkelten sich noch mehr Spanier und Italiener als sonst durchs Partywochenende. Berlin zeigt selbstverständlich, was es kann, wenn die Welt zu Gast in Kiezhausen ist: eine geile Party schmeißen. Gemeckert wird ab morgen wieder. Zum Beispiel darüber, dass die Straße des 17. Juni noch gesperrt ist – wegen eines Fanfestes, auf dem die Uefa ihr eigenes Finale nicht zeigen wollte. Aber von Fußballfunktionären lässt sich der Berliner die Laune nicht verderben; er taucht bei Großereignissen sowieso lieber im Badesee am Stadtrand ab.

In den Zentren werden Frühling und Sommer zur Dauer-Party mit Verlängerung. Paraden der guten Laune ähneln längst der Fanmeile: Auf den Karneval- der-Kulturen-Christopher-Street-Day-Myfesten wird das Wegbier durch den Straßencocktail ersetzt, zwischendurch erfreut sich das Publikum am Marathon-Velothon-Pokalfinale. Big Berlin braucht diese Massenevents, damit es zeigen kann, was es noch alles zu bieten hat: in Gegenwart gehauene Geschichte, beste Hoch- und Trash-Kultur sowie Clubs, in die nicht jeder Depp reinkommt. In ihren teuren Hotelzimmern oder den halb legal vermieteten Ferienwohnungen landen die meisten Touristen nur stundenweise, bevor sie im Mauerpark oder auf dem Tempelhofer Feld noch Berliner Lässigkeitsluft schnuppern.

So geht das Wochenende für Wochenende, Jahr für Jahr; immer enger getaktet, immer besser organisiert, immer schöner inszeniert. Aber eben auch: inszeniert – zum Wohle des Fremdenverkehrs. Ein Zug der Liebe, der im Juli eine genau geplante Strecke nach Treptow abmarschiert, verliert das Wilde, mit dem sich die Loveparade einst wummernd durch den Tiergarten ergoss.

Metropole der Rastlosen

Berlin schläft nie, höchstens bei der Arbeit oder beim Warten auf die verspätete S-Bahn. Das Image, das die deutsche Hauptstadt von sich in alle Welt verkauft: Wir sind die Metropole der Rastlosen ohne Grenzen und Ladenschluss, in der für wenig Geld noch vieles geht. Für dieses Selbstbildnis nach außen braucht die Stadt all ihre Events. Und ein Konzept dafür, das eingängiger ist als die gescheiterte Olympia-Bewerbung. Und einen richtigen Flughafen. Vor allem aber darf Berlin bei allem Streben nach der Champions League im Feiern nicht seinen Charakter verlieren. Beim Fußball sollte es eher um den Ball im Tor als um das Geschäft der Sponsoren gehen, beim Karneval der Kulturen eher um Vielfalt der Menschen als der aufgestellten Getränkestände. Der Senat verliert sich hier zu sehr im Perfektionistischen und untersagt ein von Enthusiasten organisiertes Kinderfest, weil die Zäune nicht hoch genug sind. So riskiert Berlin seine Offenheit.

Die Innenstadt ist längst Eventzone für Bierbiker und Fußballfans. Als Nächstes würde das Tourismusgewerbe gern den Alexanderplatz zur Fetenmeile umbauen (dann wäre er zumindest keine Rummelmeile mehr). Aber nicht nur nebenbei braucht Berlin auch etwas anderes: sich selbst. Mit Nischen, in denen die Stadt so bleiben darf, wie sie sein will. Denn auf freien Feldern und Baulücken, auf denen spontan getanzt und im Messi-Fantrikot gefeiert wird, suchen die Touristen nach dem Berlin-Gefühl, das auf kein Fanmeilen-Abziehbild passt. Selbst viele Berliner vermissen zuweilen Berlin inmitten von Berlin – um mal was zu meckern zu haben.

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