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Exil: Bangen um Familie und Freunde daheim in Teheran

In Berlin verfolgen rund 10 000 Iraner die Proteste und warten ungeduldig auf Nachrichten aus der Heimat. Viele der Exilanten wohnen in Charlottenburg.

E-Mails, Telefonate und wieder E-Mails. Die Iraner in Berlin sind aufgeregt, unruhig, in Bewegung. Seit dem Wochenende, seit der Aufstand im Iran nach den umstrittenen Wahlen losgebrochen ist, schreiben sie Freunden in der Heimat, warten ungeduldig auf die neuesten Bilder aus Teheran und telefonieren mit Verwandten in aller Welt. In den vergangenen Tagen sind viele von ihnen auch in Berlin auf die Straße gegangen und haben gegen eine Wahlfälschung protestiert.

Millionen Iraner leben im Exil, allein in Berlin sind es mehr als 10 000: Rund 4300 davon sind iranische Staatsbürger, hinzu kommen fast 5800 Deutsche iranischer Herkunft.Viele haben in Westeuropa und Nordamerika alte Freunde und Verwandte. Schon zu Zeiten des Schahs in den 60ern sind viele Iraner geflohen, seit die religiösen Herrscher regieren, hatten in den 80ern nochmal massenhaft Menschen das Land verlassen – vor allem Studenten, linke Intellektuelle und engagierte Gewerkschafter (siehe unten stehenden Text). Ihnen gemeinsam ist, dass sie neben wirtschaftlicher Not der politischen Verfolgung entkommen wollten. Viele verließen als Kommunisten das Land, denn die islamische Staatsführung verbot linke Organisationen und verfolgte sie im Untergrund.

Die meisten Exiliraner waren also politische Aktivisten und sind gut ausgebildet, häufig sogar Akademiker. In Berlin arbeiten viele Iraner als Ärzte, Selbstständige und Facharbeiter. Mit 3000 Personen wohnen die meisten iranischstämmigen Berliner in Charlottenburg-Wilmersdorf, gefolgt von Steglitz-Zehlendorf, wo 1600 von ihnen leben.

Allerdings treffen sich gerade die politisch aktiven Iraner in Kreuzberg und Neukölln, wo zahlreiche iranische Flüchtlinge leben. Menschenrechtsaktivisten sitzen aber auch im Haus der Demokratie in Prenzlauer Berg zusammen.

Ohnehin ist die iranische Gemeinde politisch interessiert – nicht nur seit den Unruhen nach der Wahl. Kenner des iranischen Milieus glauben, dass ein Drittel der Exilanten hinter Oppositionsführer Mir-Hossein Mussawi stehe, der selbst zum iranischen Establishment gehört. Ein weiteres Drittel sei relativ unpolitisch, im Zweifelsfall aber gegen den amtierenden Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Und die meisten anderen verstehen sich als linke Gegner des gesamten Regimes.

So wie Navid, 19 Jahre, der am Mittwoch gegen „alle iranischen Eliten“ vor dem Außenministerium in Mitte demonstrieren wollte. Seine Eltern haben Anfang der 80er zusammen mit anderen Mitgliedern einer kommunistischen Gruppe das Land verlassen. „Was sie mir erzählt haben, zeigt mir, dass alle politischen Führer dort Blut an den Händen haben“, sagt der Abiturient. Von seinen Eltern, die lange als Optiker arbeiteten, weiß er auch, dass sie sich West-Berlin nicht zufällig als Exil ausgesucht hatten.

Die DDR, das hätten seine Eltern ihm erzählt, sagt Navid, sei wie ein Schutzschild gewesen. Denn West-Berlin war durch die Mauer vor unkontrolliert einreisenden Häschern geschützt. Den verfolgten iranischen Oppositionellen hingegen machte es die DDR einfach. Die Beamten ließen Anfang der 80er iranische Flüchtlinge mit offenkundig gefälschten Papieren durch die DDR bis zum Grenzübergang an der Friedrichstraße reisen, schließlich sympathisierten sie mit der linken Opposition. Kaum war die Mauer weg, sagt die Exiliranerin Mila Mossafer, die seit 25 Jahre in Berlin lebt, hätten die Geheimdienstleute aus Teheran in Berlin zugeschlagen: Im September 1992 wurden vier kurdische Oppositionelle im Restaurant „Mykonos“ ermordet.

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