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© dpa

Exil: Iranische Oppositionelle mögen Berlin

Jubelperser, Dissidenten, Agenten: Berlin ist unter iranischen Oppositionellen schon seit Jahrzehnten als zweite Heimat beliebt. Doch auch in der deutschen Hauptstadt sind sie nicht immer sicher.

Wenige Monate vor dem Schah-Besuch am 2. Juni 1967 in Berlin, der so weitreichende Folgen hatte, erschien ein kaum minder wichtiges Buch: „Persien, Modell eines Entwicklungslandes“. Der Autor Bahman Nirumand wurde damit eine Art Vorreiter der APO; sein Lebensweg ist charakteristisch für die engen Bindungen zwischen Deutschland und dem Iran. Er war 1952 mit 14 Jahren aus Teheran gekommen, machte sein Abitur an einer Waldorfschule, promovierte in Literaturwissenschaft und kehrte noch während der Schah-Ära nach Persien zurück, um am Goethe-Institut zu arbeiten. Dort profilierte er sich als Oppositioneller, wurde bedroht, flüchtete nach einem Kontakt mit Hans-Magnus Enzensberger zurück nach Deutschland – und wurde unversehens zu einer der Galionsfiguren des Protests gegen den Schah.

In den Augen der Öffentlichkeit repräsentierten allerdings in dieser Zeit eher die „Jubelperser“ das Land, Agenten des Geheimdienstes Savak, die dem Schah für seinen Auftritt den Boden bereiteten und – geduldet von der Berliner Polizei – mit Holzlatten auf die protestierenden Studenten losgingen. Ihr Auftritt in Berlin verlief so eindrücklich, dass „Jubelperser“ zum feststehenden Begriff für bestellte Clacqeure wurde.

Die Zahl der in Berlin lebenden Iraner war traditionell stets groß – heute sind es etwa 10 000. Viele machten Karriere als Schriftsteller, Ärzte oder Architekten, manche auch in weniger geschätzten Berufen: Das wurde 1970 beim Showdown in der Bleibtreustraße deutlich, wo die Speer-Bande ein Feuergefecht gegen rivalisierende iranische Zuhälter siegreich beendete – ein Toter, drei Verletzte blieben auf der Strecke.

Doch das blieb eine Randerscheinung in einer sonst friedlichen Szenerie, deren Hintergrund allerdings von geheimdienstlichen Aktivitäten geprägt war. Denn das Schah-Regime ließ die Exil-Iraner von Agenten des Savak permanent beobachten.

Daran änderte auch der Sturz des Schahs 1979 nichts. Die Lage blieb zunächst diffus, und so kehrten Demokraten wie Islamisten gleichermaßen in ihre Heimat zurück. Unter ihnen war auch Bahman Nirumand, dessen Hoffnung auf einen demokratischen Iran sich aber rasch zerschlug. Die Mullahs obsiegten, übernahmen die Macht auch im Geheimdienst und setzten dessen Arbeit in Berlin unter geänderten Vorzeichen fort. Nirumand flüchtete dreieinhalb Jahre später erneut nach Berlin. In der Stadt sammelten sich iranische Dissidenten und kurdische Separatisten – so wie Jahrzehnte zuvor die Schah-Gegner.

Mit welcher Härte das iranische Regime gegen politische Gegner auch in Berlin vorging, zeigte sich 1992 beim Attentat im Restaurant „Mykonos“ in der Prager Straße. Vier kurdische Exilpolitiker wurden erschossen, der Wirt und ein Gast schwer verletzt. Die Täter gaben sich wenig Mühe, ihre Spuren zu verwischen und wurden 1997 in Berlin verurteilt.

Das Urteil stellte klar, dass der Drahtzieher der tödlichen Schüsse ein gewisser Kazem Darabi war, der seit Anfang der 80er Jahre in Deutschland lebte, um im Auftrag des iranischen Geheimdienstes regimetreue Studenten zu organisieren und oppositionelle Kreise auszuspähen, zunächst als Student in Hagen, später als Lebensmittelhändler in Berlin. Bezeichnenderweise war er 1992 außerdem Berliner Repräsentant der Hisbollah.

Die Beweislage war eindeutig: Die Ermittler konnten sogar nachweisen, dass Ajatollah Chamenei und Staatschef Rafsandschani vorab über das Attentat informiert waren. Darabi wurde 2007 nach 15 Jahren Haft nach Teheran abgeschoben, wo man ihm einen warmen Empfang bereitete. Die oppositionellen iranischen Volksmudschaheddin mussten noch bis 2009 kämpfen, um von der EU-Liste der Terrororganisationen gestrichen zu werden. 

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