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Abwrack

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Exklusiv: Die Berliner sind Abwrack-Muffel

Das Auto mag der Deutschen liebstes Kind sein – das der Berliner ist es aber gewiss nicht. Zum konkurrenzlos geringen Motorisierungsgrad von etwa 320 Autos pro 1000 Einwohner kommt ein neues Indiz hinzu: Die Berliner erweisen sich als Abwrackmuffel.

Das Auto mag der Deutschen liebstes Kind sein – das der Berliner ist es aber gewiss nicht. Zum konkurrenzlos geringen Motorisierungsgrad von 320 Autos pro 1000 Einwohner kommt ein neues Indiz hinzu: Die Berliner erweisen sich als Abwrackmuffel, wie sich aus Zahlen von Kraftfahrtbundesamt (KBA) und des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) ergibt. Ersteres führt die Statistik über den Fahrzeugbestand im Land. Letzteres bearbeitet die Abwrackprämie, für die bundesweit mehr als 1,7 Millionen Anträge eingegangen sind.

Nur etwa 1,9 Prozent davon kamen nach Angaben aus Berlin. Dabei sind hier laut KBA 2,64 Prozent des privaten Pkw-Bestandes zugelassen, nämlich 980 000 von bundesweit reichlich 37 Millionen Autos. Die mehr als vier Millionen registrierten Dienstwagen sind nicht berücksichtigt, weil die Abwrackrämie nur Privatleuten gewährt wird.

Auch wenn die Nachfrage nach der Prämie bundesweit unterdurchschnittlich ist, hat sie doch auch in Berlin zu einer deutlichen Zunahme der Kfz-Neuzulassungen geführt. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden rund 48 200 Pkw bei den beiden Zulassungsstellen in Kreuzberg und Hohenschönhausen neu registriert. Das entspricht einer Steigerung von 15 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr. Dennoch ist das Fazit der Händler unterschiedlich. „Das war eine gute Sache“, sagt beispielsweise Heidi Hetzer, deren traditionsreiches Opel-Haus seit einiger Zeit schwer mit der Krise zu kämpfen hat. Man könne zwar nicht davon reden, dass die Abwrackprämie das Unternehmen gerettet hat, „auf jeden Fall hat die Prämie geholfen“, sagt sie. Auch in diesen Tagen hört sie immer noch von ihren Verkäufern, dass rund 80 Prozent der Neuwagenverkäufe mit der Prämie verbunden sind.

Nach Auslaufen der Prämienzahlungen werde das Geschäft mit den Neuwagen wieder schwieriger. Dafür aber werde der derzeit daniederliegende Gebrauchtwagenmarkt wieder besser in Schwung kommen. Außerdem werden laut Hetzer 2010 die Werkstätten wieder besser zu tun haben: Dann müssen die in diesem Jahr verkauften Autos erstmals zur Inspektion. Der Geschäftsführer der Kfz-Innung, Dieter Rau, sagt, dass auch in diesem Jahr bei den Werkstätten die Lage relativ stabil gewesen sei. Von Einbußen betroffen seien hauptsächlich kleinere Werkstätten, die vor allem ältere Autos warten. Rau verweist zudem darauf, dass die Prämie zumindest die psychologischen Folgen der Krise gedämpft habe.

Laut dem Direktor der Berliner Mercedes-Benz-Niederlassungsleiter, Walter Müller, hat die Prämie das Geschäft insbesondere bei den Kompaktwagen unterstützt. Das habe dazu geführt, dass die Absatzzahlen bei Mercedes und Smart über den Vorjahreswerten liegen.

Kritischer bewerten andere Händler die Prämie. „Das war vor den Bundestagswahlen der Versuch der Bundesregierung zu zeigen, was sie für die Automobilindustrie so Gutes macht“, sagt ein Händler, der nicht genannt werden will. Lediglich die Zulassungsstatistik habe man nach oben getrieben. Wirklich etwas gebracht habe es nicht, wie man in der Stadt an der Insolvenz beispielsweise des Autohauses Kroymans oder am Rückzug des Toyota-Autohauses Weller aus Berlin sehen könne. Das Erwachen komme im nächsten Jahr, sagt ein anderer. Dann werde das Geschäft einbrechen.

Anders als in Berlin liegen in den meisten Flächenländern die Quoten von beantragten Prämien und registrierten Privatautos fast exakt auf gleichem Niveau. Auch zwischen alten und neuen Bundesländern sind keine markanten Unterschiede erkennbar. Ausnahme ist Bayern, wo die Abwrackquote besonders hoch ist. Anders verhält es sich bei den drei Stadtstaaten: Ähnlich gering wie in Berlin ist das Interesse an der Prämie in Hamburg (1,5 Prozent der Autos, aber nur 1,1 Prozent der Anträge) und in Bremen (0,6 Prozent der Autos, 0,4 Prozent der Anträge). Die Erforschung der Ursachen steht noch aus, aber zumindest für Berlin liegen zwei wesentliche Gründe auf der Hand: Relativ vielen Besitzern alter Autos fehlt schlicht das Geld für einen Neuwagen. Und: Wer in der Hauptstadt wohnt, fährt in der Regel deutlich weniger als jemand auf dem Land, wo weder Tram noch S-Bahn fahren und wegen der Entfernungen das Fahrrad keine Alternative ist.

Weitere Informationen zur Abwrackprämie sind beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft Ausfuhrkontrolle (Bafa), Telefonnummer (030) 346 465 470 erhältlich oder im Internet unter www.bafa.de, der Antrag ist unter www.ump.bafa.de zu finden.

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