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Exklusiv: Merkels Problem-Union

Brandenburgs gestürzte CDU-Landesvorsitzende Saskia Ludwig gilt als Kritikerin der Kanzlerin - und will in den Bundestag. Sie macht Katherina Reiche, der parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, das Mandat streitig. Das stört die Bundesspitze und in der märkischen Union den Neuanfang ihres Nachfolgers Michael Schierack. Die designierte Generalsekretärin der Landes-Union, Anja Heinrich, warnt ihre Partei offen davor, eine Merkel-Kritikerin in den Bundestag zu schicken.

Potsdam - In Brandenburgs CDU droht eine Zerreißprobe, da es die gerade gestürzte Landesvorsitzende Saskia Ludwig in den Bundestag drängt. Die designierte neue CDU-Generalsekretärin Anja Heinrich warnt offen davor, dass der Karriereplan der im September zurückgetretenen Partei- und Fraktionschefin den Neuanfang mit dem nominierten Landeschef Michael Schierack und die Geschlossenheit in der Landespartei gefährden kann. „Wir treten für ein grundlegend neues, besseres Verhältnis zur Bundespartei und zu unserer erfolgreichen Kanzlerin an. Wir wollen wieder ernst genommen werden“, sagte Heinrich dem Tagesspiegel. „Dieses Ziel würde konterkariert, wenn für die CDU aus Brandenburg mit Ludwig eine erklärte Kritikerin der Kanzlerin in den Bundestag käme.“ Es gehe auch um die künftige Ausrichtung des Landesverbands.

Tatsächlich gibt es wegen des Vorgangs in der Bundes-CDU bereits Irritationen. Die Personalie wird auf einer Regionalkonferenz für Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, die am Montagabend mit Merkel in Potsdam stattfindet, offiziell zwar keine Rolle spielen. In der Regel mischt sich das Konrad-Adenauer-Haus in Angelegenheiten der Basis auch nicht ein. Doch soll es dem Vernehmen nach am Rande ein Gespräch von Merkel mit Schierack geben. Und nach Tagesspiegel-Informationen stößt in der CDU-Bundesführung der Versuch Ludwigs auf massive Kritik, die brandenburgische CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche, die als parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium der Bundesregierung angehört, aus dem Parlament zu verdrängen. Wie berichtet, will Ludwig zur Wahl 2013 als Direktkandidatin im bisherigen Reiche-Wahlkreis 61 (Potsdam und Umgebung) antreten. Am Freitag entscheidet eine Wahlkreiskonferenz, wer antritt. Erwartet wird ein knapper Ausgang.

Dass Ludwig als gescheiterte Landeschefin nun Brandenburgs einzigem Regierungsmitglied das Mandat streitig macht, sei einmalig, heißt es in Berlin. Reiche habe einen direkten Draht zu Merkel, von der sie zur parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesumweltministerium gemacht worden sei, sagt ein Vertrauter der Kanzlerin. Auch sei es kein Zufall, dass Reiche im Amt blieb, als Bundesumweltminister Norbert Röttgen gehen musste. Sie mache einen guten Job, sei vernetzt, habe offenkundig auch viel für Brandenburg und ihren Wahlkreis herausgeholt. In einem Fall hat sich sogar Brandenburgs SPD-Regierungschef Matthias Platzeck genötigt gesehen, die Unions-Politikerin öffentlich zu loben, nämlich für ihr Engagement zum neuen Bundeswehr-Stationierungskonzept, bei dem das Land von Standortschließungen weitgehend verschont geblieben war.

Andererseits ist Reiche, die ihre Karriere im Bund – 2002 Mitglied im Schattenkabinett Edmund Stoibers, später Vize-Fraktionschefin – ohne brandenburgische Unterstützung machte, im Landesverband umstritten. Das liegt auch daran, dass sie mit dem früheren Generalsekretär Sven Petke verheiratet ist, der sich mittlerweile aus der Spitze der Landes-CDU unter Ludwig aber zurückgezogen hat. Wenn Ludwig ein neues Wirkungsfeld im Bund suche, so heißt es in Berlin, „würde das Brandenburgs CDU im Bund wieder abhängen“.

Sonderlich gut stand die märkische Union dort nie da, als kleinster Landesverband und nach den Wahlergebnissen seit 1990 die „schwächste CDU Deutschlands“, wie Ludwig selbst 2008 in einem Strategiepapier mit anderen Vorständlern analysiert hatte. In den 90er Jahren war der von Grabenkämpfen zerrüttete Landesverband von der Parteizentrale sogar schon abgeschrieben. Die Unberechenbarkeit der Landes-CDU hatte selbst Merkel zu spüren bekommen, als die Bonner Familienministerin unter Kanzler Helmut Kohl 1991 in Brandenburg Landesvorsitzende werden wollte, aber gegen den damaligen Vize-DGB-Chef Ulf Fink durchfiel.

Doch so belastet wie unter Ludwig war das Verhältnis zur Bundespartei nie, heißt es in Berlin. Ein Grund war die in Diskrepanz zum Leistungsvermögen der märkischen Union stehende Abgrenzungsstrategie, die sie als Landeschefin 2011 auf einem Parteitag so formuliert hatte: „Zu unserem Selbstverständnis gehört, dass wir kein Anhängsel der Bundes-CDU sind.“ In ihrer Amtszeit nahm Ludwig, die sich als Konservative zu profilieren versuchte, mehrfach offen Gegenpositionen zum Kurs der Kanzlerin ein. Sie war bundesweit die einzige CDU-Landeschefin, die im „Berliner Kreis“ der von Merkel enttäuschten Konservativen mitmachte, sie kritisierte den schwarz-gelben Atomausstieg, den Kurs zur Euro-Rettung. Zu ihren Bundesambitionen hat sich Ludwig bislang nicht öffentlich geäußert. Es gibt auch Stimmen in Brandenburgs CDU-Spitze, die ihren Wechsel befürworten. Da Ludwig als ehrgeizig wie überzeugungsgetrieben gilt, sie in Brandenburgs CDU-Bundestagsgruppe wohl zur prägenden Figur werden würde, wären aber neue Verwicklungen absehbar – mit der Bundes- wie mit der Landes-CDU. Die designierte Generalsekretärin Heinrich formuliert es so: „Uns würde doch keiner mehr ernst nehmen.“

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