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Protest vor Ostern. Bewohner des Oderbruchs demonstrieren am Sonnabend gegen die Kohlendioxid-Lagerung. Foto: dpa

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Experte warnt: Berlins Grundwasser gefährdet

Kohlendioxid-Lagerung in Brandenburg könnte riesige Mengen von unterirdischer Salzlösung freisetzen.

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Neutrebbin/Potsdam - Die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid bei Neutrebbin (Märkisch-Oderland) könnte weitreichendere Folgen haben als bislang bekannt. Sogar die Trinkwasserversorgung Berlins ist einem aktuellen Gutachten zufolge gefährdet. Sollte der Energiekonzern Vattenfall im Oderbruch wie geplant abgeschiedenes CO2 aus der Lausitzer Braunkohleverstromung unter die Erde pressen, könnte demnach durch den dabei entstehenden Druck salzhaltiges Wasser im Erdreich verdrängt werden und über kleinste Durchlässe in darüberliegende Süßwasserschichten gelangen. „Mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit würde durch die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid bei Neutrebbin Süßwasser in einem Umkreis von bis zu 100 Kilometern durch Salzwasser unbrauchbar gemacht“, warnt der Geologe und Geochemiker Ralf Krupp aus Erfurt. Rund 70 Kilometer sind es von Neutrebbin bis Berlin.

Damit gerät Brandenburgs rot-rote Landesregierung, die Vattenfalls Speicherpläne und die dafür nötige CCS- Technologie unterstützt, weiter unter Druck. Denn Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hatte die Zukunft der Lausitzer Tagebaue und Braunkohlekraftwerke direkt an eine kohlendioxidarme Verstromung geknüpft. Neue Kraftwerke und damit Tagebau sollte es ohne CCS nicht geben. Ungemach kommt auch aus Berlin. Das Bundeskabinett hatte vor einer Woche den Gesetzentwurf zur Erprobung der CCS-Technologie verabschiedet. Platzeck will aber unter diesen Umständen die Kohlendioxid-Speicherung in Brandenburg nicht zulassen, weil es eine Ausstiegsklausel für Bundesländer gibt. Ein CCS-Alleingang Brandenburgs wäre nicht vermittelbar, denn der Protest ist groß: Eine Bürgerinitiative erwartet am Sonnabend zum Ostermarsch gegen ein Endlager in Neutrebbin mehrere hundert Teilnehmer aus Ostbrandenburg, der Lausitz und Berlin. „Wir lehnen die CO2-Verpressung und auch die Erkundung konsequent ab. Das muss endlich die Landesregierung akzeptieren“, sagte Initiativen-Sprecherin Sylvia Wadewitz.

Die CCS-Gegner im Oderbruch sehen sich durch das neue Gutachten zusätzlich gestärkt. Im Auftrag des Amtes Barnim-Oderbruch, zu dem die Gemeinde Neutrebbin gehört, hat Ralf Krupp den geologischen Untergrund im weiteren Umfeld des möglichen CO2-Endlagers untersucht. Die Ergebnisse sollen den Widerspruch begründen, mit dem sich die sechs Amtsgemeinden gegen die vom Land erteilte Erlaubnis zur Speicher-Erkundung bei Neutrebbin wehren.

Vor rund einem Jahr hatte das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe Vattenfall eine entsprechende Genehmigung erteilt. „Wir haben das Gutachten vergangenen Monat dem Landesamt zugeschickt. Eine Reaktion haben wir noch nicht bekommen“, sagt Amtsleiter Karsten Birkholz. Dabei zeige das Gutachten nicht nur unterschätzte Gefahren auf, sondern auch, dass Vattenfall das Erkundungsgebiet viel zu klein gewählt habe.

Doch nicht nur die Trinkwasserversorgung wäre gefährdet, auch sensible Feuchtbiotope könnten empfindlich geschädigt werden. Bei dem Salzwasser, das sich in porösen Gesteinsschichten in mehreren hundert Metern Tiefe befindet, die für die CO2-Speicherung vorgesehen sind, handele es sich um hochkonzentrierte, teilweise gesättigte Lösungen. Deren Salzgehalt liege um ein Vielfaches über dem von Meerwasser, so Krupp. „Ein Liter enthält bis zu 350 Gramm Salz und kann bis zu 1000 Liter Süßwasser ungenießbar machen.“ Einen Namen hat sich der Wissenschaftler mit seinen Langzeitstudien zu den Folgen des Kalibergbaus im Werratal in Thüringen gemacht.

Besonders groß ist die Gefahr einer Versalzung um Neutrebbin wegen der Geologie. Eine sogenannte Rupelton- Schicht, die in der Norddeutschen Tiefebene als wichtigste Barriere zwischen Salz- und Süßwasserschicht gilt, sei an vielen Stellen äußerst dünn und teils nicht mehr vorhanden. Außerdem liege Neutrebbin an einem „neotektonisch aktiven“ Areal, der Buckow-Störungszone. „Eigentlich ist es ein seismisch ruhiges Gebiet, dennoch gibt es dort immer wieder kleinere Beben, die man zwar nicht spürt, die aber zu Verschiebungen im Erdreich führen“, sagt der Geologe. Dadurch könnten Lecks entstehen.

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