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Ortstermin in der Charité. Ulrich Frei, 63, (l.) ist Experte für Nierenkrankheiten sowie Innere Medizin und Ärztlicher Direktor der Charité Berlin. Hans-Jörg Epple (47) arbeitet als Oberarzt für Darm- und Infektionskrankheiten auf dem Campus Benjamin Franklin.

©  P. Zinken

Experten-Gespräch: „Es gibt genügend Personal und Betten“

Der Ärztliche Direktor der Charité Ulrich Frei und Hans-Jörg Epple, Oberarzt für Darm- und Infektionskrankheiten stellen sich den Fragen zur Seuchengefahr und der Ausstattung der Berliner Kliniken.

Die Zahlen sind besorgniserregend: 19 Ehec-Patienten werden derzeit in den Kliniken der Berliner Charité betreut, elf davon leiden am schlimmen Hus-Syndrom mit Schädigung der Gefäßwände und Nierenversagen. Annette Kögel traf sich mit dem Ärztlichen Direktor der Charité, Ulrich Frei, und mit Hans-Jörg Epple, Oberarzt für Darm- und Infektionskrankheiten vom Campus Benjamin Franklin zum Gespräch im Weddinger Virchow-Klinikum.

Herr Frei, Herr Epple, was haben Sie denn heute gefrühstückt?

FREI: Auch wir sind beide vorsichtiger geworden, was Gurken, Tomaten und Blattsalate angeht, obwohl man diese Produkte aus unserer Region eigentlich essen könnte, der Ausbruch konzentriert sich ja auf Norddeutschland.

Aber auch in Berlin haben wir mehr Fälle.

FREI: Richtig, aber von einem Überspringen auf Berlin kann dennoch nicht die Rede sein. Bei den Patienten, die wir betreuen, handelt es sich im Vergleich zur Häufigkeit in und um Hamburg um sporadische Fälle oder importierte Erkrankungen. Wir haben in der Mehrzahl Patienten, die vor Krankheitsbeginn in Norddeutschland an der Nord- oder Ostsee waren, da gibt es also diese Norddeutschland-Connection. Außerdem haben nördliche und westliche Bundesländer angefragt, ob wir Patienten mangels eigener Kapazitäten aufnehmen können.

Wenn Berlin jetzt anderen Ländern aushilft – haben wir noch genug Kapazitäten, um Patienten aus dem unmittelbaren Einzugsgebiet zu versorgen?

FREI: Da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Sollten jetzt viel mehr Berliner an den Darmleiden erkranken, gibt es genügend Personal und Betten. Ein wenig knapp könnte es im Extremfall bei den Intensivstationen werden, einige Hus-Erkrankte haben wir ja dort unter genauer Beobachtung. Aber zur Not würden wir die speziellen Betten der Seuchenstationen etwa im Virchow vorhalten.

Könnte es bei medizinischer Technik knapp werden, etwa bei den Geräten, mit denen das Blutplasma ausgetauscht wird?

FREI: Nein, auch da kann ich Sie beruhigen. Diese Plasmaseparationsgeräte sind kleiner als die Dialysegeräte, und sie verfügen über andere Filter. Bei den Dialysegeräten lassen die Filter nur Wasser und kleine Moleküle wie Harnstoff, Kalium und Natrium durch, die Nieren müssen ja entgiftet werden. Bei den Plasmaseparationsgeräten, mit denen wir jetzt den Hus-Patienten helfen, geht es um den Eiweißaustausch. Da haben wir genügend Geräte vorrätig.

Eine der in Berlin behandelten Patientinnen ist eine Krankenschwester. Wie schützen Sie Ihr Personal vor Ansteckung?

EPPLE: Auch da dürfen wir keine Panik durch Fehlinformationen verbreiten. Sehen Sie, das ist so: Nur weil die Krankheit gefährlich ist und sich in Norddeutschland ausbreitet, heißt das nicht automatisch, dass der Keim jetzt immer häufiger von Mensch zu Mensch überspringt. Sonst hätten wir schon rasant mehr Fälle. Über einen Kuss oder ein Anhusten kann man sich nicht anstecken. Die Übertragung funktioniert nur fäkal-oral. Das bedeutet, der eine muss Fäkalbakterien das anderen in den Mund bekommen. Das geht nur, wenn sich jemand nach dem Stuhlgang nicht richtig die Hände wäscht und jemand anderer diese Keime in den Mund nimmt. Gewisse Sexualpraktiken bergen auch ein Risiko. Die bei weitem häufigste Art der Ansteckung ist aber die über kontaminierte Lebensmittel.

Die Unsicherheit der Berliner ist groß, merken Sie das auch in Ihren Notaufnahmen?

EPPLE: Es kommen schon mehr Menschen mit Durchfall in die Rettungsstellen. Jeder möchte jetzt sichergehen. Es gibt aber auch Durchfälle, die sind harmlos, und bei blutigem und wässrigem Durchfall, da gibt es eine Bandbreite von Leiden. Auch Hämorrhoiden können Blutungen verursachen, aber Durchfall nicht.

Gibt es schon Erkenntnisse, welche Menschen eher zur Erkrankung neigen?

EPPLE: Es scheint schon genetische Dispositionen zu geben, nur welche, das kann noch niemand sagen.

Wie behandeln Sie die Menschen?

FREI: Blutplasmaaustausch ist ganz wichtig. Und Antibiotika soll man nicht geben. Das Medikament Eculizumab setzen wir derzeit nur bei einer Patientin ein, das ist noch zu wenig erforscht. Daher bestehen noch große Unsicherheiten, was es bringt oder ob seine Verwendung auch Risiken birgt. Ehec ist ja bislang eine seltene Krankheit gewesen, da gibt es anders als bei Massenkrankheiten wenig Forschung.

Haben die Ministerien und Behörden mit der Warnung vor Gurken aus Spanien richtig reagiert? Der Verdacht hat sich nicht bestätigt.

EPPLE: Ja, denn es gab den Anfangsverdacht, und es geht um Menschenleben. Man sollte aber trotzdem aufpassen, dass man sich durch den Druck der Öffentlichkeit nicht zu vorschnellen Handlungen hinreißen lässt. Möglicherweise hätte die Befragung Betroffener auch außerhalb Hamburgs bei der Suche nach potenziellen Quellen geholfen, sofern das personell überhaupt möglich gewesen wäre.

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