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Berlin: Experten treten auf die Schuldenbremse In der Föderalismuskommission werden Oettingers Vorschläge für Finanzreform kontrovers diskutiert

Der Vorschlag des baden-württembergischen Regierungschefs Günther Oettinger (CDU), Berlin und andere arme Länder zu entschulden, kommt nicht aus dem luftleeren Raum. Schon lange bevor die Föderalismuskommission zur Reform des deutschen Finanzsystems ins Leben gerufen wurde, haben Wissenschaftler über diese und viele andere Ideen heiß diskutiert.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Vorschlag des baden-württembergischen Regierungschefs Günther Oettinger (CDU), Berlin und andere arme Länder zu entschulden, kommt nicht aus dem luftleeren Raum. Schon lange bevor die Föderalismuskommission zur Reform des deutschen Finanzsystems ins Leben gerufen wurde, haben Wissenschaftler über diese und viele andere Ideen heiß diskutiert. Dabei gehen die Meinungen weit auseinander.

Am 22. Juni hört die Föderalismuskommission 18 Finanzexperten an. Ein Dutzend Papiere, 20 bis 120 Seiten dick, werden dann vorgetragen. Sollte der Kommissionschef Oettinger alles gelesen haben, weiß er, dass es auf die Finanzprobleme von Bund und Ländern keine einfachen Antworten gibt. Einig sind sich alle, von Kai Konrad (Wissenschaftszentrum Berlin) bis Stefan Korioth (Universität München), dass Deutschland eine Schuldenbremse braucht. Kein absolutes Verbot, neue Kredite aufzunehmen, aber juristisch verbindliche und politisch durchsetzbare Grenzen. Weil die Schweiz dafür ein System erfunden hat, das die Verschuldung an die Konjunkturlage koppelt, werden auch zwei Fachleute aus Zürich und St. Gallen eingeladen.

Die Finanzwissenschaftler können sich auch darauf verständigen, dass Bund und Länder sich verbindlich verpflichten sollten, binnen weniger Jahre einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Bayern hat das schon erreicht. Berlin will es 2009 schaffen. Aber es drücken die 60 Milliarden Euro alter Schulden, und wohl deshalb wurde der Vorstoß Oettingers für einen nationalen Entschuldungspakt in der Hauptstadt besonders freundlich aufgenommen. Aber an dieser Idee scheiden sich die Geister. „Länder, die eine laxe Verschuldungspolitik betrieben haben, werden belohnt“, kritisiert der Volkswirt Bernd Huber aus München. „Ein Schuldenfonds benachteiligt die Länder, die in der Vergangenheit hohe Haushaltsdisziplin geübt haben“, schreibt Ulrich Häde von der Europa-Universität in Frankfurt (Oder). „Ein tot geborenes Kind“, meint Charles Blankart von der Humboldt-Universität in Berlin. Die Länder würden sich nicht einigen können, wie die Lasten des Fonds zu verteilen sind.

Sein Berliner Kollege Kai Konrad will ebenfalls nicht seine wissenschaftlichen Überzeugungen zugunsten der Hauptstadt preisgeben. Er argumentiert kühl gegen einen Entschuldungspakt. Aber vielleicht könnten Bund und Länder für die bestehenden Altschulden bürgen. Ein solches Bürgschaftsmodell wird auch von anderen Experten bevorzugt.

Aber es gibt auch andere Auffassungen. So plädiert der Dresdner Finanzwissenschaftler Helmut Seitz für eine „Altschuldenhilfe“ zugunsten der schwachen Länder in „extrem begrenztem“ Umfang. Wolfgang Renzsch aus Magdeburg ist offensiver. Wenn Deutschland am Leitbild des solidarischen Bundesstaates festhalten wolle, müssten die überproportional belasteten Länder wenigstens teilweise entschuldet werden.

Strittig ist auch das zweite Thema, das Oettinger ins Spiel brachte: ein begrenztes Recht der Länder, die Einkommen- und Körperschaftsteuer anzuheben. Da teilt sich der Kreis der Experten in zwei gleich große Gruppen. Die einen sind für eine solche Steuerautonomie, die zusätzliche Einnahmen und Anreize bringt. Die anderen warnen: Das sei der Untergang der strukturschwachen Länder. Konsensfähig ist bisher nur ein Zwangszuschlag auf die Einkommensteuer, wenn ein Land in eine akute Finanzkrise gerät.

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