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Berlin: Expo-Projekt: "Working Heart": Ein Herzversuch für 4500 Mark

Weltweit gibt es 500 Expo-Projekte, darunter 19 in Brandenburg und 27 in Berlin. In unserer Serie stellen wir einzelne Projekte aus Berlin vor.

Weltweit gibt es 500 Expo-Projekte, darunter 19 in Brandenburg und 27 in Berlin. In unserer Serie stellen wir einzelne Projekte aus Berlin vor. Heute beschäftigen wir uns mit der Bedeutung von Schweineherzen und einem Schlachthof mit kontrollierter Tierhaltung.

Frische Herzen gibt es immer montags, mittwochs und freitags. Dann wird in Ruhlsdorf geschlachtet. Es ist abgemacht, dass die Männer und Frauen der Mediport Biotechnik an diesen Tagen immer ein Herz kriegen. Wenn sie wollen, auch ein Vorderbein. Dann wird die Produktion in Ruhlsdorf unterbrochen, die Mediziner trennen das Herz aus dem Schwein und entfernen das Vorderbein. Sie packen beides in einer Plastiktüte in eine Kühlbox und fahren zurück zur Wiesenstraße 10, zum Focus Mediport, in ihre Firma. Dort packen sie die Organe wieder aus und erwecken Herz und Vorderbein wieder zum Leben. Warum? Weil sie keine Tierversuche mögen. Oder zumindest teure Tierversuche überflüssig machen wollen. Der Schlachthof hat dann schon wieder seine Arbeit aufgenommen und verarbeitet das herzlose Schwein so wie jedes andere. Zu Koteletts und Steaks.

Dirk Sawitzky öffnet die Tür zum Labor. Dort ist das Schweineherz aus Ruhlsdorf mittlerweile angekommen. Es hängt in einer Metallapparatur, die Pumpen, Schläuche und Zylinder mit Flüssigkeit mit dem Herz verbinden. Auf die Aorta ist ein durchsichtiger Schlauch gestöpselt, durch den Schweineblut fließt. Aus der Vene läuft das Blut in einen Plastikbehälter unter dem Herzen. Das Herz zuckt ganz leicht. Es lebt! Nein, nein, sagt Sawitzky, es lebt noch nicht. "Es ist noch im Ruhezustand. Es möchte gerne schlagen, aber die Temperatur stimmt noch nicht, und wir haben es noch nicht mit dem Defibrillator bearbeiten. Stromstoß, Sie verstehen." Sawitzky ist der wissenschaftliche Leiter des Expo-Projektes "Working Heart". Das Herz lebt erst dann, wenn es das Blut selbstständig durch den angeschlossenen künstlichen Blutkreislauf pumpt. Der Zylinder mit der Flüssigkeit simuliert den Druck, gegen den das Herz in einem noch vorhandenen Blutkreislauf anpumpen müsste. Erst dann ist das Herz für medizinische Tests zu gebrauchen. Erst dann können Medikamente, medizinisches Gerät oder neue Behandlungsmethoden getestet werden. Im Moment steht das QT-Intervall bei der Mediport Biotechnik hoch im Kurs. Das ist ein Zeitabschnitt auf dem Elektrokardiogramm (ein Apparat, der die Ströme des Herzmuskels aufzeichnet), in dem das Herz auf keine Reize reagiert. Das soll verhindern, dass der Herzmuskel einen Muskelkater bekommt. Das QT-Intervall ist sozusagen der natürliche Sicherheitsmechanismus des Herzen gegen einen Krampf. Eine Mini-Verschnaufpause. Manche Medi kamente oder Medikament-Kombinationen verändern dieses Intervall jedoch. Verkürzen es, verlängern es. Herzrhythmusstörungen sind die Folge, die häufigste Todesursache in den Industrieländern. Um Medikamente darauf zu testen, wird dem "Working Heart"-System eine Dosis des Medikamentes ins Blut gespritzt und die Reaktion des Herzens darauf kann sofort beobachtet werden. Die Vorderbeine werden hauptsächlich zum Testen von Kosmetik-Verträglichkeit genutzt. Nach sechs Stunden sind die Labortests vorbei, denn länger können die Organe im Labor nicht am Leben gehalten werden.

Wichtig für die Tests sind die Größe und das Alter der Organe. Und vor allem, dass das Organ gesund ist und keine Reststoffe von Antibiotika im Blut sind. Denn das wird den Masttieren oft ins Futter gemischt, damit das Infektions- und Erkrankungsrisiko so klein wie möglich bleibt. Die Mediport Biotechnik kauft deshalb ihre Ferkel selbst und stellt sie in Ruhlsdorf unter, sozusagen ein Schlachthof mit kontrollierter Tierhal tung. Den Todestag kann dann die Biotechnik selbst bestimmen, das Fleisch bekommt der Schlachthof. Für 4500 Mark kann eine Firma ihr Medikament an einem Herzen testen lassen. Für die Zulassung eines Medikamentes muss man den Test, je nach den diversen Nebenwirkungen der zu untersuchenden Medikamente, sechs bis 20-Mal wiederholen. Erst dann darf es an Menschen getestet werden.

Kerstin Kohlenberg

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