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Berlin: Extrem ausdauernd

Er hat die 100 Meilen von Namibia als Sieger absolviert: Jörg Balle, Niketown-Geschäftsführer, ist Läufer mit Leib und Seele. Jetzt läuft er den Berlin-Marathon

Die 100 Meilen von Namibia in diesem Juli waren für mich ein unvergessliches Erlebnis. 160 Kilometer durch die Wüste, vier Tage und fünf Etappen unter extremsten Bedingungen laufen, davon eine Marathondistanz am dritten Tag. Die Luft war unglaublich trocken. Dort war Winter – ein Winter allerdings, den wir hier nicht mal gern als Sommer hätten. Das Quecksilber kletterte locker auf 40 Grad. Heftiger Wind peitschte mir ins Gesicht und der Untergrund ließ jeden Schritt doppelt schwer werden. Doch ich habe den Mount Everest der Sanddünen erklommen. Bescheuert, aber überwältigend. „Crazy Dune“ ist mit 350 Höhenmetern so lang und so steil, dass du bei zwei Schritten, die du läufst, höchstens einen vorankommst.

Als ich – da hatte ich bereits 25 Kilometer in den Beinen – den Kamm erklommen hatte, habe ich in die unbeschreiblich schöne Landschaft des unten liegenden Dead Vlei geschaut. Das hat alle Strapazen wettgemacht. Diese Weite und die Stille … einmalig. Das Beste kam allerdings erst noch: Ich habe das Rennen gewonnen.

Bei solch einem Rennen durchlebst du alle nur denkbaren emotionalen Höhen und Tiefen. In Namibia habe ich drei Springböcke und vier Oryxantilopen gesehen – auf den vielen Wüstenkilometern die einzigen Lebewesen. Du läufst über deine Grenzen hinaus, ganz mit dir allein. Begeisterung und totale Erschöpfung liegen nah beieinander. Bei einem Rennen habe ich am ersten Tag Blasen bekommen. Meine Füße sahen aus wie rohe Buletten und ich hatte noch viele Kilometer vor mir. Ich bin unter unsäglichen Schmerzen gelaufen und habe mich gefragt, warum ich mir diese Anstrengungen antue. Doch als ich im Ziel ankam und bei der Siegerehrung mitten in der Wüste unter all den Läufern auf dem Treppchen stand, fühlte ich mich unbeschreiblich glücklich.

Aufgeben kommt für mich nicht in Frage. Ich bin ein Wettkämpfer mit starkem Willen. Manchmal fühle ich mich während der Etappenrennen in der Wüste wie Lance Armstrong. Ich entwickle eine Taktik für mein Rennen, überlege, wer mein größter Konkurrent ist, wo ich angreifen kann und wie ich meine Kräfte einteilen muss. Dafür trainiere ich hart. Ich laufe seit 17 Jahren, inzwischen bis zu 20 Stunden in der Woche, zweimal täglich. Eigentlich fällt es mir nur im Winter bei minus 25 Grad morgens um 6 Uhr schwer, mich zu motivieren. Mein normales Trainingspensum liegt zwischen 120 und 190 Kilometern pro Woche.

Um die Wüstenwettkampf-Bedingungen etwas zu simulieren, renne ich teilweise bei langen Trainingsläufen mit Camel Bag durch den Grunewald. Sowohl beim 120 Kilometer-Rennen durch die Sahara, wo ich vor wenigen Monaten gestartet bin, als auch in Namibia mussten wir uns beim Lauf selbst verpflegen. In meinem Rucksack trug ich einen Liter Wasser mit Mineralien gemixt, Powerriegel sowie eine Schock-Decke, ein Gift-Aussauge-Set für Skorpion- und Schlangenbisse und eine Trillerpfeife, um im Notfall Alarm zu schlagen. Das mag extrem klingen, aber für uns sind das nur die üblichen Vorsorgemaßnahmen.

Extremläufer sind eine eingeschworene Community. Das ist eine eigene Welt. Wir treffen uns bei jedem Rennen und haben eine ähnliche Lebensphilosophie. In Tunesien haben wir zu sechst in offenen Berberzelten auf dünnen Matten im Schlafsack geschlafen. Das war ein außergewöhnliches Erlebnis, unter freiem Sternenhimmel in der Wüste zu übernachten. Und es gab keine Duschen. Rustikal eben, aber dafür sehr authentisch. In solchen Momenten spüre ich, dass ich lebe.

Mein nächstes Ziel ist etwas weniger extrem: der Berlin-Marathon. Ich laufe ihn zum zweiten Mal und möchte in diesem Jahr eine Zeit unter 2:30 Stunden erreichen.

Susan Mücke

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