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Berlin: Facebooks Mephisto

Schauspielern statt singen: Justin Timberlake stellte „The Social Network“ vor

„Oh... Es war ein langer Tag.“ Justin Timberlake blickt entschuldigend in die Runde. Da hat ihn doch tatsächlich die Müdigkeit überwältigt und ihm ein Gähnen entlockt, mitten im Satz. Runde um Runde, ein Interview nach dem anderen, den ganzen Tag schon. Da wird ihm jeder der am Dienstag Anwesenden, sechs fragelustige Journalisten in einer Suite des Adlon, gerne verzeihen, auch als sich später noch einmal ein Gähnen dazwischenmogelt, und selbst das gelegentliche rhythmische Klopfen auf die Stuhllehne, das beharrliche Spielen mit der Armbanduhr – geschenkt. Zumal Timberlake selbstverständlich nicht derangiert den Raum betreten hat, sondern wie aus dem Ei gepellt, die Ärmel akkurat hochgekrempelt, die Weste Knopf um Knopf geschlossen, die Krawatte nur einen wohldosierten Schuss Lässigkeit vom Idealknoten entfernt, dazu als krönender Abschluss ein Brillengestell von extremer Seriosität. Also genau das Gegenteil der Rolle, die er in David Finchers Film „The Social Network“ über die Gründung von Facebook übernommen hat. Darin ist er Sean Parker, Gründer der Musiktauschbörse Napster und, wenn man so will, der Mephisto, der den faustischen Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg zum Teufelspakt mit dem Kapital überredet. Timberlake ist Parker mal zufällig begegnet, noch bevor er die Rolle bekam. Aber für sein Spiel vor der Kamera wäre eine längere Begegnung sowieso nicht wichtig gewesen: „Alles was ich brauchte, stand im Drehbuch.“

Klar, dass er bei solch einer Rolle, solch einem Film mit Fragen über seine eigenen Facebook-Aktivitäten gelöchert wird, auch diese aktuelle Runde macht da keine Ausnahme. Aber er kann nur immer antworten: „Ich nutze keine Social Networks.“ Timberlake lebt Facebook-abstinent, möchte aber auch nicht missverstanden werden, dass er es ablehne. „Es ist cool, eine aufregende Erfindung“, für die Nutzer „eine Möglichkeit, mit ihrem Profil die beste Version von sich selber zu schaffen“ – aber er selbst nutze es eben nicht, könne daher wenig zu den Vor- und Nachteilen von Facebook sagen. Aber was Parker und Napster betrifft: „Ich glaube nicht, dass ein Mann allein die Musikindustrie gekillt hat.“

Auch wenn er jetzt die Ochsentour zur Reklame für „The Social Network“ (ab Donnerstag im Kino) machen muss – als Schauspieler ist er schon wieder weiter. In zwei Komödien habe er seither mitgewirkt, die eine komme im Frühjahr ins Kino, die andere im Sommer. Für „Friends with Benefits“ drehte er etwa eine Tanzszene am Times Square. Touristen und vor allem Touristinnen, die es genau zur passenden Zeit an diese Ecke New Yorks verschlug, schwärmen noch heute von diesem unerwarteten Glanzlicht ihrer Amerikareise. Irgendwann werde auch wieder eine Platte erscheinen, mehr verrät Timberlake nicht, stellt aber klar, das nur eines gehe: Schauspielen oder Musik. Im Wohnwagen beim Warten auf den nächsten Dreh an einem Song basteln? Unmöglich.

Dann sind die 15 Minuten mit Timberlake auch fast vorbei. Jesse Eisenberg, Darsteller von Zuckerberg, schaut herein, muss noch kurz warten. Irgendwo draußen treibt sich sicher auch Andrew Garfield herum, der Zuckerbergs Freund und späteren Kontrahenten Eduardo Saverin spielt. Autor Aaron Sorkin war schon da, sitzt bereits in der nächsten Runde und wird wieder versichern, dass der Film („This is a true story“) auf gründlich recherchierten Fakten beruhe, auf Zuckerbergs Blogs etwa, auf Dokumenten und Gesprächen mit Menschen aus dem Umfeld des Facebook-Gründers, der selbst aber nicht reden wollte. Gleichwohl sei der Film Kunst: „Doch es ist ein Gemälde, keine Fotografie.“Andreas Conrad

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