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Berlin: Fahnder durchsuchten die Wohnungen von zwölf Neonazis - Briefbögen des Tagesspiegels gefunden

Polizei und Staatsanwaltschaft sind massiv gegen die Spitzelei der rechten Szene vorgegangen. In Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen wurden gestern am frühen Morgen zehn Wohnungen von insgesamt zwölf Neonazis durchsucht, die mutmaßlich bei der "Anti-Antifa"-Kampagne mitwirken.

Von Frank Jansen

Polizei und Staatsanwaltschaft sind massiv gegen die Spitzelei der rechten Szene vorgegangen. In Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen wurden gestern am frühen Morgen zehn Wohnungen von insgesamt zwölf Neonazis durchsucht, die mutmaßlich bei der "Anti-Antifa"-Kampagne mitwirken. Im Rahmen dieser szene-intern auch "Feindaufklärung" genannten Umtriebe spionieren Rechtsextremisten vor allem Staatsanwälten, Richtern, Polizisten, Journalisten und politischen Gegnern hinterher. Polizei und Staatsanwaltschaft machten nun bei den sechs Durchsuchungen in Berlin einen eher unerwarteten Fund: In der Wohnung eines Neonazis lagen Dutzende Blanko-Briefbögen des Tagesspiegels und der zum selben Verlag gehörenden Potsdamer Neuesten Nachrichten. Was damit angestellt werden sollte, ist unklar.

In Berlin waren etwa 30 Beamte von Staatsschutz und Spezialeinheit PMS ("Politisch motivierte Straßengewalt") sowie drei Staatsanwälte im Einsatz. Die Ermittler beschlagnahmten, wie auch in den drei anderen Bundesländern, Computer, Disketten und weitere Unterlagen. Bei einem Rechtsextremisten in Niedersachsen wurde umfangreiches Daten-Material für "Anti-Antifa"-Steckbriefe gefunden. Im selben Bundesland stießen die Fahnder per Zufall auch auf eine Werkstatt für illegal kopierte Software.

Die Sicherheitsbehörden werten die Spitzelei der Neonazis als mögliche Vorbereitung für Anschläge. An der "Anti-Antifa"-Kampagne beteiligen sich auch Neonazis im Ausland. Ein Drahtzieher sitzt in Holland. In Schweden wurden letzte Woche drei Rechtsextremisten verhaftet, die in der dortigen Feierabend-Gestapo namens "Anti-AFA" tätig waren und einen Gewerkschafter ermordet haben sollen.

Die jetzt von Polizei und Staatsanwaltschaft in den vier Bundesländern aufgesuchten Rechtsextremisten, zehn Männer und zwei Frauen im Alter von 23 bis 32 Jahren, sind als Szene-Aktivisten bekannt. Ihnen wird vorgeworfen, in einer kriminellen Vereinigung mitgewirkt zu haben. Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Tiergarten bezog sich laut Polizei auf den Verdacht, die Neonazis hätten "in unterschiedlicher Tatbeteiligung Daten von Beamten der Strafverfolgungsbehörden und politisch andersdenkender Personen erhoben" und die Betroffen gegen ihren Willen fotografiert.

Erst im September hatte in Berlin die Nachricht von der Existenz einer "Anti-Antifa"-Liste mit mehr als 40 Namen Aufregung verursacht. In dem Papier werden vor allem Mitglieder der PDS genannt, aber auch die der Partei nahestehende Bürgermeisterin von Hohenschönhausen, Bärbel Grygier. Verschickt wurde die Liste von einer "Anti-Antifa-Kurpfalz", dahinter steckt ein Neonazi aus Ludwigshafen. Die Daten bekam er vermutlich von Rechtsextremisten aus Treptow. Die "Feindaufklärer" hatten nicht nur Namen, Adressen, Telefon und politische Gesinnung recherchiert. In der Liste findet sich auch eine Rubrik "PKW, Treffpunkte, Hobbys, Beruf".

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