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Fahrplan gesucht: Die Not mit dem Notverkehr

Zwar hat die BVG mit hundert Bussen einen Ersatzverkehr organisiert, an den Haltestellen fehlen aber Informationen zu den Abfahrtszeiten. Das Problem: Die Mitarbeiter zum Aushängen von Fahrplänen streiken ebenfalls.

Manfred Weber sieht durchgefroren aus. Zögernd geht der graubärtige Mann auf die offene Bustür zu. Dort steht Busfahrer Sebastian Kujon und macht gerade Pause. „Wo ist denn der U7-Ersatzbus?“, fragt der 64-jährige Weber. Er irre schon seit eineinhalb Stunden auf dem Hermannplatz umher und wolle doch eigentlich nach Rudow. Der Busfahrer zuckt mit den Schultern und zeigt auf die andere Seite des Hermannplatzes: „Vielleicht da drüben irgendwo.“

Es ist Mittwochvormittag, Tag eins des unbefristeten BVG-Streiks, Bushaltestelle Urbanstraße Ecke Hermannplatz, hier starten die Ersatzbusse der Linie M29. Jeder zweite Fahrgast wolle irgendeine Information von ihm, sagt Sebastian Kujon. Doch meistens wisse er keine Antwort, schließlich ist er nur Praktikant bei dem privaten Busunternehmen aus Spandau, das den Bus während des Streiks für die Linie M29 bereitstellt. Mehr als 100 solcher Ersatzbusse sind an diesem Tag im Einsatz. „Ich weiß eigentlich nur eins: wo die S-Bahnhöfe sind.“ Sein Ausbilder hat keine Zeit für ein Gespräch: „Das ist meine Pause, ich muss jetzt was trinken.“

Währenddessen hat sich an der Haltestelle eine größere Gruppe eingefunden. Nachdem alle eingestiegen sind, ist der Bus proppenvoll, nur ganz hinten gibt es noch ein paar Stehplätze. „Bis jetzt war es heute bei allen Fahrten so voll“, sagt Sebastian Kujont. Aber die Fahrgäste scheinen im Allgemeinen ganz gelassen und wesentlich besser vorbereitet zu sein als Manfred Weber. Florian Kappeler hat sich im Internet über die Abfahrtszeiten informiert. Marianne Musek bei einer Freundin. Sie haben beide nicht lange gewartet. Auch Uwe Wutzdorf nicht. Er hat seine Informationen aus der Zeitung und findet, dass der Ersatzbus ein „Glücksfall“ ist. Er bringt ihn geradewegs zu seinem Arbeitsplatz im Europacenter. Die Linie endet am Wittenbergplatz. Den Streik findet Wutzdorf durchaus gerechtfertigt. „Das ist doch das einzige Mittel, um sich dagegen zu wehren, dass unsere Gesellschaft immer ungerechter wird.“ So ähnlich sehen es die meisten. Noch. „Ein unbefristeter Streik ist ganz schön hart. Wenn die S-Bahn auch noch ausfällt, ist es mit meinem Verständnis vorbei“, sagt Marion Laude. Die 48-Jährige steht gerade an der Bushaltestelle Yorckstraße und sieht suchend auf den Fahrplan. Sie ist mit der S-Bahn von der Arbeit in der Nähe der Station Gesundbrunnen gekommen und will nun wissen, wann der U7-Ersatzbus zur Gneisenaustraße kommt. Doch da steht nichts. „Ich gehe dann mal zu Fuß, aber die Tüte mit meinen Einkäufen ist so schwer.“ Auf der gegenüberliegenden Seite wartet Anne Swierczynski auf einen Bus in Richtung Blissestraße – vergebens, bemerkt sie nach 20 Minuten: Hier endet die Buslinie. Sie habe zwar im Internet nachgeschaut. „Aber durch den Notfallplan bin ich nicht durchgestiegen.“

Informationen an den Haltestellen gibt es nicht. Die Mitarbeiter, die Fahrpläne anbringen könnten, streikten alle, heißt es bei der BVG. Und die wenigen Beschäftigten, die noch arbeiten dürfen, fuhren gestern zum Teil den privaten Bussen hinterher, um zu kontrollieren, ob sie die vorgesehenen Strecken fahren. Für eine Überwachung per Funk sind die meisten privaten Busse nicht ausgestattet. Deren Fahrer verständigen sich per Handy mit ihren Unternehmen.

Die BVG kommt auch in Schwierigkeiten, wenn sie streikbedingt ihre Notfahrpläne ändern müsste. Die Macher, die sich hier in den vergangenen Tagen bemüht haben, befinden sich jetzt nach BVG-Angaben ebenfalls im Streik.

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