zum Hauptinhalt
Am Tatort: Ein Bild von Jonny K. erinnert am Alexanderplatz an den 20-Jährigen.

© Timur Emek/dapd

Fall Jonny K.: Attacke am Alex: Verdächtiger wieder in Haft

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat erfolgreich gegen die Freilassung eines 21-jährigen Verdächtigen protestiert, der sich nun wieder in U-Haft befindet. Derweil kündigte der in die Türkei geflohene Hauptverdächtige an, sich den deutschen Behörden stellen zu wollen.

Die tödliche Prügelattacke vom Berliner Alexanderplatz könnte an diesem Dienstag bei zwei deutsch-türkischen Staatsbesuchen Thema sein. Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner erwartet, dass der Fall bei dem Besuch von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in Berlin besprochen wird. Erdogan will unter anderem die neue türkische Botschaft in Tiergarten eröffnen. Aus Ankara hieß es, Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) könnte das Thema bei ihrem heute beginnenden Besuch in der Türkei ebenfalls ansprechen.

Ein Tatverdächtiger der tödlichen Prügelattacke vom Alexanderplatz, den die Polizei nach seiner Festnahme wieder freigelassen hatte, befindet sich erneut in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft legte erfolgreich Beschwerde gegen die Freilassung des 21-jährigen Melih Y. durch das Amtsgericht Tiergarten ein, wie ein Sprecher der Ermittlungsbehörde mitteilte. Y. habe sich bereits mit seinem Anwalt zum Antritt der Untersuchungshaft gemeldet. Bezüglich des ebenfalls beschuldigten Memet E., der einen Begleiter von Jonny K. attackiert haben soll, verzichtete die Staatsanwaltschaft wegen geringer Erfolgschancen auf eine Beschwerde. Wegen des Falls saß bislang bereits ein 19-Jähriger in Haft.

Der mutmaßliche Haupttäter, der den 20-jährigen Jonny K. am Alexanderplatz vor zwei Wochen zu Tode geschlagen und getreten haben soll, hat angekündigt, aus der Türkei wieder zurück nach Deutschland zu kommen und sich den Tatvorwürfen stellen zu wollen. Dies sagte er laut „Bild“-Zeitung einem Reporter des Blattes, der den 19-Jährigen am Wochenende in Izmir offenbar aufgespürt hat. Onur U. wird als mutmaßlicher Hauptbeschuldigter mit Haftbefehl von den deutschen Behörden gesucht. Kurz nach der Tat am 14. Oktober ist der Amateurboxer, der die deutsche und die türkische Staatsangehörigkeit hat, jedoch in die Türkei gereist. In dem Zeitungsinterview behauptet U., nicht auf den am Boden liegenden Jonny K. eingetreten zu haben. In die Türkei sei er nur geflogen, um seinen Vater bei einem geschäftlichen Termin zu begleiten. Er kehre nächste Woche nach Deutschland zurück.

In Berlin wurden seine Äußerungen mit Empörung aufgenommen. „Ich erwarte, dass die türkischen Behörden den mutmaßlichen Täter umgehend festsetzen“, sagte der Bundestagsabgeordnete und Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegner dem Tagesspiegel. „Es ist unerträglich, dass ein Mensch, der bei uns wegen Mordes gesucht wird, gemütlich in türkischen Straßencafés herumsitzt.“ Er fordert, „dass der mutmaßliche Täter schnell nach Deutschland überführt wird, damit er hier seine gerechte Strafe erfährt“. Sollte dies nicht möglich sein, „muss ihm zumindest in der Türkei der Prozess gemacht werden.“ Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, bezeichnete es als eine „Frechheit“, dass Onur U. den deutschen Behörden „auf der Nase herumtanzt“.

Und welche Rolle spielt die Tat vom Alexanderplatz in der Türkei?

Ein Polizeisprecher betonte, dass die Beamten den Verdächtigen längst identifiziert und „im Visier“ haben, doch im Gegensatz zu einer Zeitung seien die deutschen Behörden an „rechtsstaatliche Verfahrensweisen gebunden“, was bedeutet, „dass wir nicht einfach in der Türkei ermitteln können“. Dafür müsse ein Rechtshilfeersuchen bei den türkischen Behörden beantragt werden. Dieses Ersuchen beanspruche einige Zeit, da es übersetzt und von der Türkei genau überprüft werden muss, unter anderem auf die Frage hin, wie dringend der Tatverdacht sei. „Umgekehrt machen wir das ja genauso, wenn die Türkei gegen einen deutschen Staatsbürger ermittelt“, sagte der Polizeisprecher. Die türkischen Behörden müssten aufgrund des Ersuchens aus Deutschland tätig werden und ihm dort den Prozess machen. In Justizkreisen hieß es gestern jedoch, dass aufgrund der Tatsache, dass Onur U. beide Staatsangehörigkeiten hat, die deutschen Ermittler „schlechte Karten“ haben. Über das Eintreffen einer offiziellen deutschen Bitte um Hilfe bei der Suche nach dem Verdächtigen, die zur Festnahme von Onur U. führen könnte, war am Montag in der Türkei nichts bekannt.

In der türkischen Öffentlichkeit spielen der Tod von Jonny K. und der Aufenthalt des Tatverdächtigen Onur U. in der Türkei bisher keine große Rolle. Die Prügelattacke vom Alexanderplatz war und ist zwar für die Deutschland-Ausgaben der türkischen Zeitungen ein Thema, wie Ali Varli sagt, Berlin-Korrespondent der Tageszeitung „Hürriyet“: „Wir berichten sehr viel über den Fall und merken, dass unsere Leser über die Tat sehr empört sind.“ Gerade die Tatsache, dass zwei der Verdächtigen nach ihrer Festnahme vorerst wieder auf freien Fuß gelassen wurden, habe unter „Hürriyet“-Lesern viel Kritik provoziert. Für die Ausgaben derselben Blätter in der Türkei selbst ist der Vorgang in Berlin aber kaum ein Thema.

Der Vorsitzende des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus, Peter Trapp (CDU), fordert ein härteres Durchgreifen der Justiz bei Wiederholungstätern. Es reiche nicht aus, wenn junge Männer wie der bereits mehrfach wegen Gewaltdelikten und Nötigung zu Jugendstrafen verurteilte Onur U. mit Bewährungsstrafen davonkämen, sagte er dem Tagesspiegel. Trapp forderte, einen Warnschussarrest einzuführen, also einen kurzen Gefängnisaufenthalt bei Verurteilungen auf Bewährung. Nur so könne man Wiederholungstätern Grenzen setzen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false