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Immer wieder Streit um das Kopftuch

© Picture Alliance/dpa

Fall Luckenwalde: Muslima darf mit Kopftuch vor Gericht erscheinen

Nach langem Streit darf eine Muslima nun doch mit Kopftuch zu ihrem Scheidungsverfahren vor dem brandenburgischen Gericht erscheinen.

Im Kopftuch-Streit vor dem Amtsgericht im brandenburgischen Luckenwalde (Teltow-Fläming) darf eine Muslima in ihrem Scheidungsverfahren nun doch mit Kopftuch vor Gericht erscheinen. Das berichtet das ZDF-Landesbüro Brandenburg in Potsdam beim Kurznachrichten-Dienst Twitter. Auf Tagesspiegel-Nachfrage beim ZDF hieß es, die ungenannte Quelle sei verlässlich und vertraulich. 

Ein Familienrichter hatte im Juli vor Verhandlungsbeginn verfügt, dass die Frau vor Gericht nicht in Kopftuch erscheinen darf. Der Richter hatte dies mit dem Neutralitätsgebot begründet und zugleich Ordnungsmaßnahmen bei Zuwiderhandeln angedroht. Die in Berlin ansässigen Anwältin Najat Abokal hatte deshalb einen Befangenheitsantrag gegen den Familienrichter eingereicht. Der hatte nun Erfolg, wie das ZDF berichtet. Das Gericht sehe den Befangenheitsantrag als begründet hat, hieß es. 

Religiös motivierte Bekundungen vor Gericht nicht erlaubt

Ursprünglich war die Scheidungsverhandlung auf den 27. Juli angesetzt, wurde aber wegen des Befangenheitsantrags vertagt. Der Richter hatte argumentiert, dass religiös motivierte Bekundungen wie ein Kopftuch im Gerichtssaal und während der Verhandlung nicht erlaubt seien. Die Betroffene war als Flüchtling aus Syrien nach Deutschland gekommen und will sich nun von ihrem Mann scheiden lassen. Wann der Scheidungsantrag nun verhandelt werden kann, bliebt unklar. Am Amtsgericht Luckenwalde gibt es nur zwei für Familienrecht zuständige Richter. Eine davon ist die Direktorin des Amtsgerichts, Roswitha Neumaier.

Neutralitätsgebot nur für Staatsbedienstete

Anwältin Abokal hatte dem Tagesspiegel erklärt, sie halte das verfügte Kopftuchverbot für ihre Mandantin für verfassungswidrig. Zwar gilt für Richter und Staatsanwälte das Neutralitätsgebot, sie dürften nicht im Kopftuch auftreten – doch wer nicht im Staatsdienst tätig ist, für den gilt dies nicht.

Und was Zuschauer betrifft, hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2006 geurteilt, dass sie nicht wegen eines Kopftuches, getragen aus rein religiösen Gründen, aus dem Gerichtssaal geschickt werden dürfen, wie es ein Jugendrichter am Amtsgerichts Tiergarten einst tat.

Der Fall hatte deutschlandweit nicht nur unter Juristen Wellen geschlagen. Der Staatsrechtler Klaus F. Gärditz, Professor für öffentliches Recht an der Friedrich-Wilhelms Universität Bonn warf dem Luckenwalder Richter groben Missbrauch des richterlichen Ermessens vor, der als Rechtsbeugung verstanden werden könne.

Die Justiz dürfe „keine Ressentiments eines provinziellen Alltagsrassismus und -sexismus mit prozessualen Mitteln fortsetzen“. Hier werde die Religionsfreiheit der Syrerin verletzt. Um vor Gericht zu erscheinen und Nachteile im Verfahren zu vermeiden, müsste sie sich entblößen. „Die damit verbundene sexistische Demütigung ist greifbar“, befand Gärditz.

Selbst eine Sprecherin des brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG), wo der Fall  in zweiter Instanz hätte landen können, erklärte, das Kopftuchverbot sei nur schwer mit der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes in Einklang zu bringen.

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