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Fall Torben P.: Brutal zugetreten und doch "ein Weichei"

Dritter Prozesstag: Einer Schulfreundin gesteht der U-Bahn-Schläger Torben P. seine brutalen Tritte noch in der Tatnacht. Sie sagt, er habe gezittert und sich Vorwürfe gemacht.

Worte sind billig, hatte Torben P. zum Beginn seines Prozesses gesagt, zugleich bereute der wegen versuchten Totschlags angeklagte U-Bahn-Schläger wortreich seine Tat, vor seinen Freunden, vor der Polizei, vor seinem Opfer und jetzt vor Gericht. Nur: Wie ehrlich ist diese Reue? Und an was kann und will sich der 18-Jährige, der angab, von seinen brutalen Kopftritten keine Vorstellung mehr zu haben, wirklich erinnern? Diese Fragen standen am dritten Prozesstag vor dem Berliner Landgericht im Mittelpunkt.

Der erste Mensch, dem sich der Schläger anvertraute, war Juliana K., 17 Jahre alt, eine Mitschülerin. Als Zeugin schildert sie den Richtern, wie sie Torben in der Tatnacht zum Karsamstag 2011 zufällig in der U-Bahn wiedertraf, nachdem man sich Stunden zuvor auf einer Geburtstagsparty in gelöster Stimmung voneinander verabschiedet hatte. Torben, erzählt sie, kauerte am Boden des Waggons, weinend. Er habe reden wollen, habe sie gebeten, mit ihm auszusteigen und sei, auf sie gestützt, zu einem Spielplatz gegangen. Sein Kumpel, der wegen Körperverletzung mitangeklagte Nico A., und er hätten auf ihrem Nachhauseweg Mädchen „blöd angemacht“ und später einen Jungen getroffen, den sie auch „blöd angemacht“ hätten. „Ich bin ausgerastet“, habe Torben gesagt, er habe den Jungen mit eine Flasche geschlagen und ihm auf den Kopf getreten. „Ich habe etwas Schlimmes gemacht“.

Die Zeugin ahmt im Gerichtssaal nach, wie Torben es ihr in der Nacht gezeigt haben soll, Fußtritte von oben nach unten. Und spricht davon, der junge Mann habe gezittert, sich Vorwürfe gemacht, seine Tat selbst nicht verstanden. Er habe „krasse Worte“ gebraucht, Straßenslang. „Ich habe gedacht, er übertreibt“. Doch er habe ihr Blut an Schuhen und Hose gezeigt und von seiner Angst erzählt, die Tat seinem Vater zu beichten.

Richter Uwe Nötzel hakt nach: Vor der Polizei habe Juliana K. nur von Tritten in Bauch und Rücken berichtet. „Ich habe es damals nicht für so wichtig gehalten“, versucht die Zeugin eine Erklärung. „Aber er hat auch von den Kopftritten erzählt, da bin ich mir sicher. Auch, dass der andere laut Torben „irgendeine Beleidigung losgelassen hat“, bevor der verhängnisvolle Streit auf dem U-Bahnhof Friedrichstraße begann, will die junge Frau von ihm in den frühen Morgenstunden des 23. April auf dem Spielplatz erzählt bekommen haben.

Wenige Stunden und ein paar E-Mails später trafen sich Nico A. und Torben bei einer Freundin wieder, Sanja T., Schülerin, 17 Jahre. „Torben war völlig aufgelöst, total geschockt“, erzählt sie dem Gericht. Gemeinsam schaute man das Fahndungsvideo im Internet. Der Gesuchte habe sofort entschieden: „Ich will zur Polizei“. Nico A dagegen habe sich zurückgezogen und um neue Kleidung gebeten, um auf der Straße nicht erkannt zu werden.

Was sagte die Polizistin, die Torben P. zuerst vernommen hatte? Lesen Sie mehr auf Seite 2.

Die Polizeibeamtin, die Torben zuerst vernahm, teilt den Eindruck vom Reumütigen. „Er hat viel erzählt, er hatte ein Bedürfnis zu erzählen.“ Drei Stunden lang. „Er hat sich geschämt, war sehr über sich enttäuscht.“ Vor den Beamten hatte er damals noch gesagt: „Ich kann mich an alles erinnern, auch wenn ich getrunken habe.“ Der Polizistin sei dagegen aufgefallen, dass er das Geschehen um die Tat herum sehr detailliert schildern konnte, sich an die Situation selbst aber nicht so genau erinnerte. Ihm sei damals aber bewusst gewesen, dass Nico und er mit der Pöbelei angefangen hätten. War die Reue denn ehrlich? „Ja“, sagt die Beamtin, „das war mein Eindruck. Er stand zu dem, was er getan hat. Wenn auch nicht in vollem Unfang.“

Auch um die Persönlichkeit des Angeklagten geht es an diesem Prozesstag, und wenn man den Zeuginnen glauben darf, muss es sich bei Torben um eine Art Bilderbuchschwiegersohn oder mindestens Musterfreund handeln. Juliana K. dachte beim ersten Kennenlernen, der schlaksige junge Mann habe einen aggressiven Auftritt, sein Gang, die Hose auf halb acht, die Zigaretten – ein Möchtergerngangster. „Aber in Wahrheit war er eher so ein Streber“. Ein netter Typ, einfühlsam. „Er ist weich“. Beim Abschied von der Party habe der Betrunkene brav versprochen, schnurstracks heimzufahren, die Gastgeberin überhäufte ihn mit Fürsorglichkeit, sie sei verliebt ihn ihn. Sanja T. sagt: „Torben ist ein ganz Lieber. Sehr witzig, aufgeschlossen, nie aggressiv, sehr höflich, liebenswürdig, sehr reif. „Keine negativen Eigenschaften?“, fragt der ungläubig der Richter. „Vielleicht etwas unpünktlich“, meint die Zeugin.

Gerade mit Erwachsenen kann Torben gut, und wie es scheint, half ihm das nach der Tat. Sanjas Eltern fuhren mit dem in der Presse als Prototyp nicht zu bändigender Jugendgewalt Abgestempelten nach Ostern für mehrere Tage zum Campingplatz ans Tropical Islands. „Er war nicht fröhlich. Er hat über nichts anderes geredet, die Stimmung war angeschlagen.“

Was hat ihn am meisten bewegt?, fragt der Richter.

Es war nicht das Schicksal des Opfers.„Die Presse“, sagt Sanja T. „Die haben sein Haus umzingelt“. Die Lügen in der Zeitung und dass er nun der schlimmste Junge der Welt sein soll, dass man ihn erkennen könne nach dem Motto: Hier kommt der U-Bahn-Schläger. Doch auch vom Opfer habe Torben erzählt. Dass er sich mit einem Brief entschuldigt habe, „aber dass der Typ davon nichts wissen will.“

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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