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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Aber bitte mit Gefühl

Dürfen Freunde "igitt" sagen, wenn man ihnen von einer Krankheit erzählt? Immer sonntags beantwortet Elisabeth Binder ihre Alltagsfragen.

Einer Freundin erzählte ich von einer Operation, bei der mir einige Zysten entfernt wurden. Das war unangenehm, aber nicht so schlimm. Und wem soll man das erzählen, wenn nicht Freunden? Außerdem fragte sie, was ich an den vorangegangenen Tagen gemacht hätte. Sie sagte zu meinem Bericht nur mehrfach „Igitt“ und „Wie schrecklich“ und „Das ist ja furchtbar“. Das fand ich unsensibel, und ich hätte gute Lust, beleidigt zu sein. Lena, operiert

Empathie kann sich ganz unterschiedlich äußern. Es gibt Freundinnen, die weinen zusammen. Dann gibt es die eher sportlichen Typen, die sich gegenseitig ermuntern und anfeuern, aber nicht so viel hermachen mögen aus gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Jeder Mensch hat andere Bedürfnisse, wenn er krank ist. Der eine möchte gerne ausführlich bemitleidet werden. Dem anderen ist es am liebsten, wenn diese lästigen Sachen gar keine Erwähnung finden. Unter Freunden weiß man meist, welche Reaktionen angemessen sind.

„Igitt“ würde ich zu den ehrlichen und spontanen Reaktionen zählen. Und „schrecklich“ ist so was doch, auch wenn es nur ein kleiner Eingriff war. Unsensibel mag das nur insofern gewesen sein, als die Freundin vorab nicht ausreichend recherchiert hat, welche Reaktion Sie besonders mögen in einer Situation, in der es Ihnen nicht gut geht.

Gute Freunde meinen es ja in der Regel nicht böse

Beleidigt zu sein, ist allerdings nie eine gute Lösung. Wenn man anfängt, darüber nachzudenken, sollte man diese Möglichkeit am besten gleich wieder streichen.

Gerade Freunde meinen das, was sie sagen, ja in der Regel nicht böse. Sie mögen manchmal gedankenlos sein oder auch zu schnell unterwegs, um einem Phänomen oder Bedürfnis die ausreichende Beachtung zu schenken. Aber bestimmt wollte die Freundin den Eingriff nicht herabwerten, indem sie „Igitt“ sagte, sondern nur zum Ausdruck bringen, dass so was niemandem zu wünschen ist, am allerwenigsten einer Freundin. Es liegt doch eigentlich nahe, von guten Freunden immer nur das Beste zu erwarten. Und es hilft zum Glück, wenn man genau das tut, freilich ohne dabei gleich naiv oder unkritisch zu werden.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

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