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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Den Trost verweigern?

Eine Bekannte aus Kindertagen meldete sich, nachdem sie ihren Lebenspartner verloren hatte. Offensichtlich ist sie einsam, versucht nun, eine Beziehung zu mir aufzubauen, und hat mich sogar um meine Adresse gebeten. Vor Jahren ist sie mal unangemeldet bei meiner Geburtstagsfeier aufgetaucht. Ich will keinen Kontakt, weil wir uns sehr unterschiedlich entwickelt haben.

Sichtbare Verzweiflung macht alles nur noch viel schlimmer. Wenn Sie erleben, dass eine alte Bekannte trauert und ein bisschen Zuspruch gut vertragen könnte, sollten Sie nicht zuerst an die Verpflichtungen denken, die Ihnen daraus vielleicht erwachsen. Tun Sie einfach das Naheliegende. Sprechen Sie mit ihr, stellen Sie Fragen nach dem Verstorbenen, hören Sie zu. Man muss keine ähnliche Entwicklung gehabt haben, die Fähigkeit zum Mitleid reicht völlig aus. Dass Sie noch verärgert sind vom ungebetenen Geburtstagsbesuch, ist freilich verständlich.

Auf die Frage nach der Adresse können Sie zunächst nur ihre Mail-Adresse herausrücken. Insistiert die Bekannte, dann sagen Sie ihr, dass Sie zu Hause keinen Besuch empfangen. Wenn Sie sich frei machen können vom Gefühl, zu irgendetwas verpflichtet zu sein, dann wird ein nicht zu ausgedehntes Treffen im Café kein großes Opfer bedeuten. Vielleicht schlagen Sie ihr ein paar Aktivitäten vor, die über den Verlust des Partners etwas hinweghelfen können. Bekommen Sie dann doch einen Klammergriff zu spüren, ist immer noch Zeit genug, den Kontakt abzubrechen. Einem Menschen, den man lange kennt, nur aufgrund einer schlechten Erfahrung oder einer vagen Furcht Trost zu verweigern, erscheint unnötig grausam

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meinefrage@tagesspiegel.de

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