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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Die Anrede "Junger Mann" macht mich rasend

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten oder peinlichen Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

Ich bin 65 Jahre alt und ergraut, wie die meisten Rentner meines Alters. Jedes Mal, wenn mich eine Kellnerin oder Verkäuferin „junger Mann“ nennt, ärgere ich mich. Bestimmt ist das nicht zynisch gemeint, aber ein Zeichen von mangelnder Ernsthaftigkeit beziehungsweise Sensibilität im Umgang mit Kunden. Wie sollte man auf diese dumme Anrede passend und nachwirkend reagieren, ohne dabei verletzend zu sein?

Wolfgang, umbenannt

Es gibt Marotten, die sich noch lange halten, nachdem ihre Zeit längst abgelaufen ist. Diese gehört dazu. Sie stammt aus einer Zeit, in der noch niemand was dabei fand, einem älteren Herrn einen Negerkuss oder ein Zigeunerschnitzel zu verkaufen, und ihn dann jovial zu fragen: „Na, junger Mann, darf’s noch was sein?“ Zwar schreitet die Sensibilisierung der Gesellschaft so rasch voran, dass man manchmal Auswüchse Richtung Hysterisierung beklagen möchte. Aber in manchen Bereichen gibt es immer noch Nachholbedarf.

Junger Mann? Da hör’ ich doch wohl nicht richtig! Foto: Imago
Junger Mann? Da hör’ ich doch wohl nicht richtig! Foto: Imago

© IMAGO

Der „junge Mann“ von 65 Jahren gehört in meinen Augen ebenso dazu wie die „junge Frau“ im Rentenalter. Da braucht es Leute wie Sie, die ihnen den notwendigen pädagogischen Stupser geben. Handelt es sich um Verkäuferinnen oder Kellnerinnen an Orten, die Sie häufig aufsuchen, stellen Sie sich einfach mit Namen vor und dem zusätzlichen Hinweis: „Sie sehen ja, dass ich nicht mehr jung bin…“

Bei flüchtigen Begegnungen brauchen Sie Ihren Namen gar nicht preiszugeben, sollten aber deutlich machen, dass Sie es nicht als Schmeichelei empfinden, wenn man Sie so anredet. „So alt bin ich nun auch wieder nicht, dass Sie mich mit dieser offensichtlich falschen Anrede trösten müssen“, wäre eine Aussage, die zu denken gibt, ohne allzu anklagend zu wirken. Es geht ja vor allem darum, eine dumme Gewohnheit zu hinterfragen und bestenfalls auszuhebeln.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an:

meinefrage@tagesspiegel.de

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