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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Handy-Pause in der Oper

Ist es in Ordnung, während der Vorführung einer Oper einen schnellen Blick aufs Handy zu werfen? Unsere Kolumnistin Elisabeth Binder weiß, was sich gehört.

In letzter Zeit passiert es mir öfter, dass in der Philharmonie oder in der Oper Leute in meiner Nähe sitzen, die ihr Smartphone nicht abschalten, wenn es dunkel wird. Oder aber sie schalten es schon ein, wenn sie wissen, dass das Stück gleich zu Ende sein wird. Da leuchten dann ringsum blau die Displays. Letztens saßen zwei Frauen vor mir, die sich zwischen den Akten Handy-Fotos hin- und herreichten. Als ich sie ermahnt habe, reagierten sie ärgerlich. - Ulrich, ausgeleuchtet

Auf den ersten Blick geht das natürlich gar nicht. Zum einen sollten kultivierte Menschen wissen, dass sie andere allein mit dem Anblick eines aktiven Smartphones stören. Konzerte und Opern bieten eine Chance, dringend benötigte Auszeiten vom Daueranschluss an den Rest der Welt vor sich und anderen zu rechtfertigen. Im Idealfall wird das Gerät also vor Betreten des Innenraums ausgeschaltet. Dann besteht auch nicht die Gefahr, dass ein auf Vibration geschaltetes Telefon in Pianissimo-Situationen brummt wie ein hungriger Wolf.

Einfach nur aus Spaß in der Oper Fotos zu betrachten, ist sehr schlechtes Benehmen. Multitasking hat spätestens dann seine Grenzen, wenn Menschen live singen. Wenn man wirklich gelangweilt ist, dann ist es besser, den Saal zwischen den Akten diskret zu verlassen. Freilich gibt es auch hier Ausnahmen: Es kann sein, dass jemand beruflich oder privat so unter Druck ist, dass er sich nicht anders zu helfen weiß, als zwischendurch in die Mails zu schauen. Bei den beiden Damen vor ihnen scheint das nicht der Fall gewesen zu sein. Die haben Sie also zu Recht zur Ordnung gerufen. Der gezeigte Ärger war vielleicht nur ein Mantel für das schlechte Gewissen.

Ach ja, kürzlich habe ich einen Notizblock gesehen, auf dem in Englisch auf jeder Seite der Satz steht: „Nehmen Sie meinen guten Rat, ich brauche ihn gerade nicht.“ Dies nur, um deutlich zu machen, dass es manchmal leider keine echte Alternative zu schlechtem Benehmen gibt. Das ist vielleicht auch okay, wenn das Gewissen knirscht und mit guten Vorsätzen vollgepackt wird.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen an: Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin. Oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de.

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