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Fallstricke des Alltags: Muss ich Handküsse ertragen?

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten oder peinlichen Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

Mehrmals im Jahr kommt es vor, dass ich mit Handkuss begrüßt werde. Mir ist diese Form der Begrüßung nicht recht, da ich gerne selber aktiv an einer Begrüßung beteiligt bin, zum Beispiel in Form eines Handschlags oder einer Umarmung. Wenn ein älterer Herr meine Hand nimmt und küsst, fühle ich mich in eine Zeit versetzt, in der Frauen nicht gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben beteiligt waren. Gerne möchte ich meinem Gegenüber, ohne verletzend zu sein, zu erkennen geben, dass ich mir eine andere Begrüßung wünsche. Wissen Sie da Rat?

Irene, falsch geküsst

Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.
Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

In früheren Zeiten war es durchaus noch üblich, dass Frauen eine passive Rolle einnahmen, es also ohne Weiteres zuließen, dass ein Mann ihre Hand ergreift und in die Richtung seiner Lippen führt. Heute können Sie Erlebnisberichte von Männern hören, die es gar nicht so einfach fanden, den Handkuss, den sie eigentlich für höflich hielten, bei einer Frau loszuwerden. Da muss einer schon gut führen können.

Die Managerin, die durchsetzungsfähige Lehrerin, die erfolgreiche Anwältin sind es vielleicht gewöhnt, ihrerseits die Dramaturgie des Begrüßens zu gestalten – mit einem festen Händedruck, der den Höhenflug der Hand mit abschließend gehauchtem Kuss schon in der Startphase abwürgt. Diese Vorgehensweise wäre als erste Verteidigungsstrategie gegen altmodische Begrüßungsformen sicher zu empfehlen. Wenn Sie dabei nicht geradezu um sich schlagen, kommt es auch nicht zu peinlichen Situationen. Sie können dem Herrn für Außenstehende fast unmerklich, aber trotzdem sehr bestimmt klarmachen, dass Sie nicht die Prinzessin auf der Erbse sind, sondern eine moderne Frau, die weiß, was sie will – und was nicht.

Der ältere Herr hat das aber womöglich längst mitbekommen und will Ihnen mit dem Handkuss lediglich seine besondere Ehrerbietung erweisen. Was spricht in einem solchen Fall dagegen, das einfach zu ertragen? Der Handkuss wird sie nicht kleiner und weniger erfolgreich machen, dem alten Herrn aber möglicherweise das Glücksgefühl bescheren, sich einer starken Frau gegenüber formvollendet benommen zu haben.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an:

meinefrage@tagesspiegel.de

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