zum Hauptinhalt
Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Soll man sich von Unbekannten zu Getränken einladen lassen?

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten oder peinlichen Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

Meine Tochter saß mit einer Freundin in einer Bar und trank Tee, als sich zwei junge Männer neben sie setzten. Kurz darauf brachte der Kellner zwei Gläser Sekt für die jungen Damen mit dem Hinweis, das käme von den beiden Herren. Sie wollten das Getränk nicht zurückweisen, aber auch nicht den Eindruck erwecken, dass sie auf einen Flirt aus seien. Also haben sie den Jungs das gesagt, nachdem sie den Sekt angenommen und sich bedankt hatten.

Gracia, mütterlich

Besser kann man sich in so einer Situation kaum verhalten. Die jungen Männer kamen sich sicher sehr weltläufig und cool vor und haben bestimmt auf eine andere Reaktion gehofft. Aber junge Frauen sind eben nicht weniger weltläufig und mit dieser nicht ganz neuen Art von Flirtversuch nicht über die Maßen zu beeindrucken. Es ist doch sehr zu hoffen, dass die jungen Männer ein „Nein, wir wollen nicht flirten“ von Anfang an in ihre Kalkulation eingeschlossen haben. In so einem Fall kann das Motto nur lauten: Man kann’s ja mal probieren, und wenn’s nicht klappt, ist man auch nicht böse. Wenn diese Haltung dahinter steht, ist die Einladung zum Sekt sogar als charmante Geste zu sehen. Denn sie beinhaltet das Kompliment, dass es sich um zwei besonders attraktive Mädchen handelt, die man sehr gern näher kennenlernen würde. Ein solches Kompliment kann eine junge Frau doch jederzeit unbefangen und selbstbewusst annehmen. So viel kostet ein Getränk nun auch wieder nicht, dass man sich damit gleich Zeit und Chancen erkaufen könnte. Die Gläser in so einer Situation einfach kommentarlos zurückgehen zu lassen, würde nur unnötig verkniffen wirken. So würde man zudem signalisieren, dass man den Spendern nur Schlechtes und jedenfalls keinen Humor zutraut. Wichtig ist in einer solchen Situation tatsächlich, dass man sich freundlich bedankt und Klarheit schafft, ohne zu kränken. Dann kann man ohne Ressentiments auseinander gehen und sich an einem zwar nicht geglückten, aber immerhin lustigen Flirtversuch freuen. Und Sie können sich nicht nur am Muttertag über eine Tochter freuen, um die Sie sich wohl keine Sorgen zu machen brauchen.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

Zur Startseite